Nach der enttäuschenden Pandemie-Gala im vergangenen Jahr kehrt die Oscar-Verleihung 2022 wieder ins gewohnte Dolby Theater nach Los Angeles zurück, wo am 27. März zum 94. Mal der wichtigste Filmpreis der Welt verliehen wird. Hoffentlich bewahrheiten sich bis dahin auch die Gerüchte und die Academy greift endlich wieder auf einen Host zurück.
Zum zweiten Mal in Folge wird die Liste der nominierten Filme dabei von Netflix angeführt. Nach den 10 Nominierungen von „Mank“ kommt „The Power of the Dog“ in diesem Jahr sogar auf stolze 12 Nominierungen. Da der Film zudem als leichter Favorit im Rennen für den besten Film gilt, könnte nun endlich die große Stunde von Netflix gekommen sein, nachdem „Mank“ vor einem Jahr nur zwei Auszeichnungen mit nach Hause nehmen konnte. Größte Konkurrenz dürfte Kenneth Branaghs „Belfast“ sein, der wie Stevens Spielbergs Musical-Remake „West Side Story“ auf 7 Nominierungen kommt.
Dazwischen steht mit „Dune“ der einzige Blockbuster der für den besten Film nominiert wurde. Die Hoffnungen aller „Spider-Man“-Fans lösen sich also in Luft auf und obwohl ich den Film geliebt habe, geht das für mich auch völlig in Ordnung. Derweil gehört „Dune“ trotz der 10 Nominierungen auch zu den größten Snubs, da Denis Villeneuve überraschend nicht für die beste Regie nominiert wurde. Zu den weiteren Überraschungen zählen vor allem die Nichtberücksichtigungen diverser Darsteller, wie Bradley Cooper („Licorice Pizza“), Leonardo DiCaprio („Don't Look Up“), Rachel Zegler („West Side Story“) und Ruth Negga („Seitenwechsel“), um nur einige zu nennen. Ganz besonders aber Lady Gaga, die als sichere Kandidatin für eine Nominierung als beste Hauptdarstellerin galt, allerdings gemeinsam mit ihrem Film „House of Gucci“ (der lediglich mit 1 Nominierung bedacht wurde) unter ging.
Ich werde jetzt wie immer versuchen, so viele Oscar-Filme wie möglich bis zur Verleihung zu sichten und in der Woche vor den Oscars gibt es dann wie immer meine Tipps und Wunschsieger in den 20 Kategorien (Die Kurzfilm-Kategorien sind bei mir traditionell außen vor). Im vergangenen Jahr erwiesen sich 15 meiner 20 Tipps als korrekt, wie viele es in diesem Jahr werden, erfahrt ihr direkt nach der Verleihung, wenn es hier wie gewohnt alle Gewinner und mein Fazit zur Oscar-Nacht gibt. Die Übersicht aller Filme mit zwei oder mehr Nominierungen (inklusive meiner Wertung) findet ihr rechts und unten alle Nominierten in den jeweiligen Kategorien. And the Oscar goes to...
Film (+Meine Wertung) | N | A |
The Power of the Dog (7/10) | 12 | 1 |
Dune (8/10) | 10 | 6 |
Belfast (8/10) | 7 | 1 |
West Side Story (5/10) | 7 | 1 |
King Richard (7/10) | 6 | 1 |
Don't Look Up (6/10) | 4 | 0 |
Drive My Car (9/10) | 4 | 1 |
Nightmare Alley (7/10) | 4 | 0 |
Being the Ricardos (5/10) | 3 | 0 |
CODA (8/10) | 3 | 3 |
Encanto (6/10) | 3 | 1 |
Flee (8/10) | 3 | 0 |
Licorice Pizza (8/10) | 3 | 0 |
Frau im Dunkeln (5/10) | 3 | 0 |
Keine Zeit zu sterben (8/10) | 3 | 1 |
Macbeth (6/10) | 3 | 0 |
Cruella (6/10) | 2 | 1 |
The Eyes of Tammy Faye (6/10) | 2 | 2 |
Parallele Mütter (7/10) | 2 | 0 |
Tick, Tick... Boom! (6/10) | 2 | 0 |
D. schlimmste Mensch d. Welt (7/10) | 2 | 0 |
N=Nominierungen, A=Auszeichnungen
Kategorie | Nominierungen | Gewinner | Tipp | Wunsch |
Bester Film |
- Belfast - CODA - Dune |
CODA |
CODA |
Drive My Car |
Beste Regie |
- Kenneth Branagh - Ryusuke Hamaguchi - Paul Thomas Anderson - Jane Campion - Steven Spielberg |
Jane Campion Power of the Dog |
Jane Campion Power of The Dog |
Kenneth Branagh Belfast |
Bester Hauptdarsteller |
- Javier Bardem - Benedict Cumberbatch - Andrew Garfield - Will Smith - Denzel Washington |
Will Smith King Richard |
Will Smith King Richard |
Benedict Cumberbatch Power of the Dog |
Beste Hauptdarstellerin |
- Jessica Chastain - Olivia Colman - Penélope Cruz - Nicole Kidman - Kristen Stewart |
Jessica Chastain Eyes of Tammy Faye |
Jessica Chastain Eyes of Tammy Faye |
Jessica Chastain Eyes of Tammy Faye |
Bester Nebendarsteller |
- Ciarán Hinds - Troy Kotsur CODA - Jesse Plemons - J. K. Simmons - Kodi Smit-McPhee |
Troy Kotsur CODA |
Troy Kotsur CODA |
Troy Kotsur CODA |
Beste Nebendarstellerin |
- Jessie Buckley - Ariana DeBose - Judi Dench - Kirsten Dunst - Aunjanue Ellis |
Ariana DeBose West Side Story |
Ariana DeBose West Side Story |
Kirsten Dunst Power of The Dog |
Bestes adaptiertes Drehbuch |
- Sian Heder CODA - Ryusuke Hamaguchi & Takamasa Oe - Jon Spaihts, Denis Villeneuve, & Eric Roth - Maggie Gyllenhaal - Jane Campion |
Sian Heder CODA |
Jane Campion Power of the Dog |
Ryusuke Hamaguchi & Takamasa Oe Drive My Car |
Bestes Originaldrehbuch |
- Kenneth Branagh - Adam McKay & David Sirota - Zach Baylin - Paul Thomas Anderson - Eskil Vogt & Joachim Trier |
Kenneth Branagh Belfast |
Kenneth Branagh Belfast |
Paul Thomas Anderson Licorice Pizza |
Beste Kamera |
- Craig Fraser - Dan Laustsen - Ari Wegner - Bruno Delbonnel - Janusz Kamiński |
Craig Fraser Dune |
Craig Fraser Dune |
Craig Fraser Dune |
Beste Filmmusik |
- Nicholas Britell - Hans Zimmer - Germaine Franco - Alberto Iglesias - Jonny Greenwood |
Hans Zimmer Dune |
Hans Zimmer Dune |
Hans Zimmer Dune |
Bester Filmsong |
- Be Alive Four Good Days |
No Time to Die Keine Zeit zu sterben |
No Time to Die Keine Zeit zu sterben |
No Time to Die Keine Zeit zu sterben |
Bestes Szenenbild
|
- Dune - Macbeth |
Dune |
Dune |
Dune |
Bestes Kostümdesign
|
- Cruella - Cyrano - Dune |
Cruella |
Cruella |
Dune |
Bestes Make-up |
- Der Prinz aus Zamunda 2 - Cruella - Dune |
Eyes of Tammy Faye |
Eyes of Tammy Faye |
Eyes of Tammy Faye |
Bester Schnitt |
- Dune |
Dune |
Dune |
Dune |
Bester Ton |
- Belfast - Dune |
Dune |
Dune |
Dune |
Beste visuelle Effekte |
- Dune - Free Guy |
Dune |
Dune |
Dune |
Bester Animationsfilm |
- Encanto - Flee - Luca - Die Mitchells gegen die Maschinen |
Encanto |
Encanto |
Flee |
Bester internationaler Film |
- Drive My Car (Japan) - Flee (Dänemark) - The Hand of God (Italien) - Lunana: Das Glück liegt im Himalaya (Bhutan) - Der schlimmste Mensch der Welt (Norwegen) |
Drive My Car |
Drive My Car |
Drive My Car |
Bester Dokumentarfilm |
- Ascension - Attica - Flee - Summer of Soul - Writing with Fire |
Summer of Soul |
Summer of Soul |
Flee |
Fazit
„Keep my wife’s name out of your FUCKING mouth!“ 23 Gewinner nach über 3,5 Stunden Show, doch am Ende gibt es nur ein Gesprächsthema: Will Smith. In einem der größten Oscar-Skandale aller Zeiten stürmt Smith auf die Bühne und schlägt Comedian Chris Rock live und vor einem Millionenpublikum ins Gesicht. Der unfassbaren Entgleisung lässt er dann auch noch die oben genannten Worte folgen und sorgt somit zunächst für große Verwirrung: War das ein geplanter Gag der beiden oder doch voller Ernst? Als wenig später klar wird, dass das alles andere als ein Scherz war ist die Stimmung im Dolby Theatre im Keller und sowohl die anwesenden Stars als auch meine Wenigkeit vor dem Bildschirm sind geschockt. Rock hatte zuvor zwar einen fiesen Scherz in Richtung seiner Frau Jada-Pinkett Smith gemacht, der auf ihren krankheitsbedingten Haarausfall anspielte, doch selbst ein Gag unter der Gürtellinie rechtfertigt niemals ein solches Verhalten! Die Gewinner in den Hauptkategorien wirken danach nur noch wie Randnotizen bis Will Smith selbst vor das Mirko tritt um ausgerechnet dann seinen ersten Oscar (!) als bester Hauptdarsteller entgegenzunehmen. In einer tränenreichen und emotionalen Rede ringt Smith mit seinen Worten, entschuldigt sich jedoch lediglich bei der Academy und dem Publikum. Rock wird in seiner langen Rede gar nicht erwähnt, stattdessen versucht der Hollywood-Star seine Entgleisung mit der Liebe zu seiner Familie und seinem schwierigen Filmcharakter auch noch zu rechtfertigen und sorgt somit für den endgültigen Verlust aller Sympathiepunkte. Die Nacht von Will Smiths größtem Erfolg wird also auch die Nacht seines größten Misserfolgs werden. Ein Oscar, der für immer von diesem Skandal überschattet werden wird und statt ein neues Kapitel seiner Karriere einzuläuten, demontiert sich Smith vor versammeltem Millionenpublikum selbst!
Bis zu diesem Skandal hatten sich die Oscars, die nach den Quoteneinbrüchen der letzten Jahre massiv unter Druck standen, aber ganz gut geschlagen. Die Show war größtenteils sehr unterhaltsam und die Rückkehr eines Moderatoren-Trios um Amy Schumer, Regina Hall und Wanda Sykes hat der Verleihung mehr als gutgetan. Auf Unverständnis stieß lediglich die Entscheidung, acht Kategorien vor der Verleihung zu prämieren, was für völlig antiklimatische Auszeichnungen sorgte. So erfuhr die Öffentlichkeit von Hans Zimmers zweiten Oscar nach „Der König der Löwen“ lediglich über eine kurze Mitteilung per Twitter, nur um die Kategorien dann doch in der Show zu zeigen und dabei lediglich wenige Sekunden pro verliehenem Preis zu sparen (Die Academy wollte die eingesparte Zeit für mehr Unterhaltungssequenzen nutzen). Und trotzdem dauerte die Show am Ende 3,5 Stunden lang. Auch die beiden Zuschauerkategorien hätte sich die Academy können, die komplett nach hinten losgingen. So avancierte der beste Cheer-Moment der Filmgeschichte mit dem Sieg von The Flash in „Zack Snyder's Justice League“ zur absoluten Farce und nachdem dann auch noch Snyders „Army of the Dead“ den Publikumspreis für den besten Film des Jahres entgegen nahm war das Gelächter bei mir endgültig riesen groß. Immerhin sorgte die Snyder-Army mit dem pushen der beiden Filme für zwei sehr unterhaltsame Momente, an denen es dieser denkwürdigen Show definitiv nicht gemangelt hat!
Ach ja und dann wurden ja auch noch Filme ausgezeichnet: „Dune“ avancierte mit 6 Oscars zum Abräumer des Abends und „CODA“ von Apple TV+ gewann in allen drei Kategorien in denen er nominiert wurde, inklusive bester Film. „The Power of the Dog“ gilt hingegen als großer Verlierer, immerhin konnte der Western bei 12 Nominierungen nur 1 Oscar abstauben. Damit muss Netflix weiter auf eine Auszeichnung als bester Film warten und wurde dabei sogar von Streamingkonkurrent Apple abgehängt. In diesem Jahr waren derweil 19 meiner 20 Tipps korrekt, lediglich beim adaptierten Drehbuch habe ich bei einer 50/50-Entscheidung daneben gegriffen, was trotzdem mein persönlicher Rekord ist. Die erwartungsgemäßen Gewinner sorgten zwar für eine überraschungsarme Verleihung, boten bspw. mit der Dankesrede von Troy Kotsur aber auch wieder einige schöne Momente. Im nächsten Jahr dürfen aber gerne wieder alle Kategorien in der Show verliehen werden und Will Smith darf bis dahin gerne gecancelt werden!