The Beatles: Get Back

Staffelfinale: 27.11.2021 | Anbieter: Disney+ | Episoden: 3 | FSK: 12 | Land: GBR, NZL, USA | Genre: Dokumentation, Musik


Kritik

Keine Band hat das Musikgeschehen der 60er-Jahre wohl so geprägt wie die Beatles. Die vier Bandmitglieder um Paul McCartney, John Lennon, George Harrison und Ringo Starr haben in ihrer zehnjährigen Bandgeschichte für unzählige große Hits gesorgt, die auch fünfzig Jahre später noch den Leuten bekannt sind. Immerhin geht es mir so, der erst 1993 geboren wurde und damit Jahrzehnte zu spät für den Beatles-Hype kam. Entsprechend habe ich auch damit gezögert mir "The Beatles: Get Back" anzuschauen, warum sollte ich auch 7,5 Stunden lang einer uralten Band zusehen, mit der ich außer einigen Songs die ich mag, nichts wirklich verbinde? Letztlich waren es die überragenden Kritiken und ganz besonders der Name Peter Jackson, der mich dazu veranlasste doch einen Blick in die Serie zu werfen. Immerhin hat Jackson schon mit seiner Weltkriegs-Doku "They Shall Not Grow Old" eine starke Dokumentation abgeliefert, die mit ihrer hervorragenden Bildrestauration den ersten Weltkrieg in nie dagewesenen Bildern zeigte. Das gleiche gilt nun auch für "The Beatles: Get Back", einer Dokuserie die mich nicht nur von Anfang bis Ende mitgerissen und begeistert hat, sondern schlichtweg das Beste ist was Peter Jackson seit "Die Rückkehr des Königs" abgeliefert hat.

 

Flashback ins Jahr 1970: Mit "Let It Be" wird eine 81-minütige Doku über die Beatles veröffentlicht, die später für das gleichnamige Beatles-Album mit dem Oscar für die beste Filmmusik ausgezeichnet wird. Die Doku von Regisseur Michael Lindsay-Hogg begleitet die vierköpfige Band auf dem Weg zu ihrem legendären Rooftop-Konzert im Jahr 1969 im Herzen Londons, dass gleichzeitig den letzten Live-Auftritt der Beatles-Geschichte darstellt. Peter Jackson, selbst jahrzehntelanger Fan der Beatles, sichtet die ganzen 56 Stunden Filmmaterial und 140 Stunden Audiomaterial von Lindsay-Hogg, schneidet daraus die 7,5-stündige Doku "The Beatles: Get Back" und restauriert die Bild- und Tonaufnahmen aufwändig in 4K.

Das Ergebnis ist seit Ende November auf Disney+ zu bestaunen und kann sich wirklich sehen lassen. Wenn die Frisuren, Outfits und veraltete Technik nicht wären, könnte man glatt meinen "The Beatles: Get Back" wäre im Jahr 2021 gedreht worden. Das Filmmaterial sieht schlichtweg fantastisch aus und sorgt wie bereits bei "They Shall Not Grow Old" für ein beeindruckendes Mittendrin-Gefühl. Dazu röhrt der Rock 'n' Roll Sound der Beatles kristallklar aus allen Surround-Lautsprechern. Bei der "Hobbit"-Trilogie konnte man Peter Jackson noch zurecht für seinen übermäßigen CGI-Einsatz kritisieren, mit dem Restaurieren von altem Filmmaterial hat der Neuseeländer nun wirklich die perfekte Beschäftigung gefunden seine Technikaffinität auszuleben. Als nächstes sind übrigens Jacksons Frühwerke um "Braindead" und "Bad Taste" an der Reihe, die im nächsten Jahr erscheinen sollen. Nicht auszumalen wie brillant diese alten und trashigen Splatterfilme dann aussehen werden.

Letzten Endes hilft die audiovisuelle Brillanz aber vor allem dabei ein enormes Mittendrin-Gefühl zu erzeugen. "The Beatles: Get Back" ist ganz nah an seinen vier Stars dran und lässt die Zuschauer über die Schultern einiger der vielleicht besten Songwriter der Musikgeschichte blicken. Bestes Beispiel ist der Entstehungsprozess des Beatles-Hits "Get Back", der im Gegensatz zur Original-Doku auch passenderweiße zum zentralen Song des Films gemacht wird. Diesen erdenkt sich Paul McCartney nämlich quasi im Vorbeigehen und das in einer der schwierigsten Phasen der Band-Geschichte. Immerhin spart die Musik-Doku nicht die zahlreichen Spannungen innerhalb der Gruppe aus, die kurze Zeit später zum endgültigen Aus der Beatles führen. "The Beatles: Get Back" zeigt die vier Bandmitglieder zwar auf dem Höhepunkt ihres Schaffens und das daraus resultierende Album ist legendär, allerdings zeigt es auch wunderbar die Sehnsüchte etwas Eigenes zu erschaffen, gerade in Form des jüngsten Bandmitglieds George Harrison, der zwischenzeitlich sogar die Band verlässt. Die Gründe für die Spannungen werden sehr gut aufgezeigt, so ist Paul McCartney in seiner Rolle als Anführer wohl einfach zu dominant, John Lennon und sein wandelnder Schatten Yoko Ono entfremden sich immer weiter und Ringo Starr ist vor allem eins: Todmüde. Mit meinen 28 Jahren bin ich dabei im gleichen Alter wie Paul McCartney und John Lennon zum Zeitpunkt der Aufnahmen, was die ganze Doku durchaus nochmal interessanter für mich gemacht hat. Zudem droht die Band aber auch am Druck des engen Produktionsplans zu scheitern, immerhin gilt es in wenigen Tagen ein ganzes Album zu kreieren und einen großen TV-Auftritt vorzubereiten. Dass es trotzdem zu diesem erstaunlichen kreativen Prozess kommt, ist schlichtweg beeindruckend und zeigt das ganze Talent der Beatles.

Im Zentrum von "The Beatles: Get Back" stehen jedoch nicht die angesprochenen Spannungen oder die Einflüsse von Bandvertrauten wie dem Produzenten George Martin oder Toningenieur Glyn Johns auf die Gruppe, sondern die Arbeit der Beatles. Dabei entwerfen die vier Bandmitglieder nicht nur reihenweise ikonischer Songs, sondern sorgen mit ihrer unverblümten Albernheit, zahlreichen Späßen und ihrer gigantischen Musikleidenschaft für jede Menge gute Laune. Neben ihren eigenen Songs verbringen sie die Tage mit dem Covern anderer bekannter Songs aus der Zeit und kommentieren das Zeitgeschehen, sowie die Zeitungsberichte über sie. Trotz all der Spannungen wird dabei auch klar wie viel Spaß gerade McCartney und Lennon am gemeinsamen musizieren haben und diese Freude überträgt sich ungefiltert auf den Zuschauer. Wer selbst schon einmal in einer Band, einem Orchester oder was auch immer war, und auch nur einen Funken fürs Musik machen übrig hat wird sich der Magie und Energie der Doku nicht entziehen können. "The Beatles: Get Back" liefert einen atemberaubenden Blick hinter die Kulissen der einflussreichen Band und wird auch in seiner Peter Jackson typischen immensen Laufzeit nie langweilig. Immerhin dauert die erste Episode geschlagene 157 Minuten, die zweite 173 und das Finale 138 Minuten. Letztendlich hätte ich mir aber auch noch drei weitere Episoden angeschaut, denn die Musik-Doku ist neben "Arcane" die größte Überraschung des Serienjahres und ein echtes Erlebnis!

 

Fazit

Habe ich (Jahrgang 93) gerade wirklich den Beatles 7,5 Stunden lang beim Musizieren zugesehen? In der Tat und ich habe jede Sekunde davon geliebt! Von den Beatles kannte ich vorher nur ein paar Eckdaten, die Namen der Mitglieder und ich mochte ihre Songs, für mehr kam die legendäre Gruppe aber einfach ein paar Jahrzehnte vor meiner Zeit. Die großartigen Kritiken und der Name Peter Jackson haben mich letztlich davon überzeugt einen Blick in die Serie zu werfen. Bekommen habe ich eine ungemein mitreißende Dokumentation, die mich zum Lachen gebracht hat, für jede Menge Gänsehaut sorgt und trotz einiger Unstimmigkeiten innerhalb der Band hervorragend unterhält. Ursprünglich wollte ich die drei 135-175 Minuten langen Episoden (!) jeweils in zwei Hälften anschauen, doch einmal gestartet, konnte ich den Blick nicht mehr vom Bildschirm abwenden. Peter Jackson beweist mit der Serie ein perfektes Gespür fürs Pacing, die Restauration von Bild und Ton sind atemberaubend und man kommt Paul, John, George und Ringo näher als jemals zuvor. Wer auch nur einen Funken fürs Musik machen übrig hat darf sich diese fantastische Serie nicht entgehen lassen und wer ohnehin Fan der Beatles ist, hat mit "The Beatles: Get Back" den heiligen Gral der Musik-Dokus gefunden.

 

9/10


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Poster&Trailer: © Walt Disney