Anno 1800 Investorausgabe Test - Das beste Anno

Anno 1800 © Ubisoft
Anno 1800 © Ubisoft

Hier noch schnell eine Produktionskette erweitern, da die Schiffsroute ändern und dann nur noch ein paar Häuser aufsteigen lassen...Moment, was ist das? Die Bürger werden nicht mehr mit Kaffee versorgt?

Ja, es gibt in den Weiten der Videospiel-Welt wohl kaum eine Spielereihe die ein solcher Zeitfresser ist wie die "Anno"-Serie. Auch der neueste Ableger "Anno 1800" bildet hierbei keine Ausnahme und lässt Stunde um Stunde wie im Flug vergehen. Mit dem siebten Teil kehrt die Reihe nach den beiden gemischt aufgenommenen Zukunftsablegern "Anno 2070" und "Anno 2205", wieder zu den Wurzeln der Vergangenheit zurück. Nicht dass die beiden Vorgänger schlechte Spiele gewesen wären, ganz im Gegenteil, zum Charme der Spielereihe mit ihrem Fokus auf Inseln und Schifffahrt, passt ein Vergangenheitssetting jedoch schlichtweg besser. Nachdem "Anno 1800" immer wieder mit dem Serienhöhepunkt und vermutlich besten Aufbauspiel aller Zeiten "Anno 1404" verglichen wurde, habe auch ich mich knapp 80 Stunden lang in das neue Abenteuer gestürzt. Während Story-Fans bei der für mich uninteressanten Kampagne sicherlich wieder auf ihre Kosten kommen werden und Multiplayer-Spieler mit drei Mitspielern wahlweise zusammen oder gegeneinander spielen können, soll es hier rein um das legendäre Endlosspiel gehen und um die Frage, ob es "Anno 1800" tatsächlich mit "Anno 1404" aufnehmen kann.

Das Inselparadies der alten Welt
Das Inselparadies der alten Welt

Arbeitskräfte braucht das Land

Was zum Spielstart direkt auffällt: Das System mit den verschiedenen Regionen aus "Anno 2205" wurde beibehalten. Vorbei sind die Zeiten aus "Anno 1404" in denen der Orient einfach im Süden der Karte lag, stattdessen teilt sich die Welt nun in zwei Regionen auf: Der neuen Welt und der alten Welt. Verbunden sind die beiden Regionen durch eine Weltkarte, die sämtliche Schiffe durchfahren müssen. Um gleich einen kleinen Kritikpunkt anzubringen: Diese Zwischenwelt hätte sich BlueByte getrost sparen können, da sie die Planung von Schiffsrouten zwischen den Regionen unnötig verkompliziert und in die Länge zieht. Da die Schiffe ohnehin an den Rand der Karte fahren, hätte man sie auch gleich in der gewünschten Region erscheinen lassen können. Doch das nur am Rande. Die alte Welt ist wie gewohnt die Standardregion, in der es ganze fünf Bevölkerungsstufen zu durchlaufen gilt. Bei vier von ihnen macht sich die vielleicht größte Neuerung des Spiels bemerkbar: Die Arbeitskraft. Theoretisch könnt ihr in "Anno 1800" jedes Wohnhaus aufsteigen lassen, die Aufstiegsrechte gehören also der Vergangenheit an. Allerdings bringt jeder Einwohner auch eine Arbeitskraft, die für den Verlauf des Spiels ungemein wichtig ist. Denn die unterschiedlichen Produktionen benötigen auch unterschiedliche Arten von Arbeitskräften. Während auf den Feldern Bauern-Arbeitskräfte verlangt werden, arbeiten in den Fabriken meist Arbeiter, während für komplexere Produktionen später sogar Handwerker und Ingenieure verlangt werden. Wer seine Häuser also zu schnell aufsteigen lässt bekommt ein Problem, da ihm schnell mal die Bauern-Arbeitskräfte ausgehen. Dann gilt es entweder neue Bauernhäuser zu bauen oder Arbeiterhäuser absteigen zu lassen. Dies ist eine der vielen Komfortfunktionen von "Anno 1800", von denen sich auch das Verschieben von Gebäuden und die neuen Blaupausen als sehr nützlich erweisen. 

Die "Neue Welt" ist nun eine separate Region
Die "Neue Welt" ist nun eine separate Region

Die neue Welt hält einige Herausforderungen bereit

Auch bei den Produktionsketten hat sich einiges verändert. Die behalten ihre teils gigantischen Ausmaße aus "Anno 2205" bei und kommen mit einigen sinnvollen Neuerungen daher. Die Farmen bestehen nicht länger aus vordefinierten Felder, wie es weiterhin bei den Tierhaltungen der Fall ist, stattdessen lassen sie sich nun kachelgenau platzieren. Bei den großen Felder sieht dies nicht nur realistisch aus, es gibt auch ein ungemein befriedigendes Gefühl, wenn man den Platz auf seiner Insel bis auf den letzten Millimeter gefüllt hat. Während Platzprobleme in der alten Welt kaum ein Faktor sind, ist es in der neuen Welt unabdingbar, den begrenzten Platz auf der Insel auszunutzen. Wie im Orient bei "Anno 1404" gibt es in der neuen Welt zwei Bevölkerungsstufen: Die Journaleros und die Obreros. Und wie gewohnt können einige benötigte Waren nur in der jeweiligen Region hergestellt werden. Das bereitet vor allem in der neuen Welt einige Schwierigkeiten. Die Bewohner der alten Welt verlangen beispielsweise nach einer beträchtlichen Menge Kaffee und Rum aus der neuen Welt, von der Arbeitskraftintensiven Ölproduktion ganz zu schweigen. Beim begrenzten Platz und den begrenzten Arbeitern, fällt es schwer alles unter einen Hut zu bekommen. Abhilfe schaffen viele Stellschrauben die die Entwickler dem Spieler an die Hand geben. So lässt sich das Arbeitspensum der einzelnen Gebäude erhöhen, was jedoch weder den Einwohnern noch den K.I.-Mitspielern gefällt, und über Handelskammern mit verschiedenen Items Boni generieren. 40% mehr Produktivität, 30% weniger Arbeitskräfte oder sogar ganze Gebäude die obsolet werden, sind mächtige Hilfsmittel. So kann man zum Beispiel mit einem bestimmten Item bei der Zigarren-Produktion, auf Holzfurniere verzichten, da die Produktion stattdessen nur günstig produzierte Bretter verwendet. Somit konnte ich knapp 400 Arbeitskräfte allein durch dieses Item einsparen. Das Mikromanagement bleibt also eine der größten Stärken des Spiels, da die Möglichkeiten etwas zu verbessern nie ausgehen. Seit einiger Zeit hilft einem dabei auch ein ausführlicher Statistik-Bildschirm weiter, der genau anzeigt, wie viele Tonnen einer Waren gerade produziert werden und wie viel benötigt werden. Eine enorm hilfreiche Sache!

Eine Zeitung voller guter Nachrichten
Eine Zeitung voller guter Nachrichten

Zwischen Urlaubsparadies und Propaganda

Mit dem Erfüllen der Bedürfnisse ist es jedoch noch nicht getan. Denn in der Welt von "Anno 1800" gibt es selbstverständlich noch viel mehr zu beachten. Dazu gehört das neue Einfluss-System, welches die ungehinderte Expansion ausbremsen soll. So kostet nach eine Weile jede Handelsroute, jedes Schiff und viele andere Dinge eine kleine Menge an Einfluss. Wer mit dem Einfluss also zu verschwenderisch umgeht, dem droht der Baustopp. Zumal der Einfluss eine notwendige Ressource bei der Zeitung ist. Mit Einfluss können Spieler nämlich auch Propaganda betreiben, um die regelmäßig veröffentlichte Zeitung etwas "aufzuhübschen". Gerade die Steigerung der Zufriedenheit oder eine Senkung des Verbrauches erweisen sich hierbei als hilfreich. Übertreiben dürft ihr es mit der Propaganda jedoch nicht, ansonsten gehen die Einwohner auf die Barrikaden. Das System scheint jedoch nicht allzu streng zu sein, zumindest habe ich in meiner Spiele-Session nie ein Problem mit zu wenig Einfluss gehabt.

Ein weiterer wichtiger Punkt in "Anno 1800" ist die Attraktivität der Hauptinsel. Eine hohe Attraktivität der Stadt lockt mehr zahlende Besucher in die Stadt und bringt im DLC "Paläste der Macht" immer mächtigere Boni ein. Unorte wie Schweinezüchte oder umweltverschmutzende Fabriken solltet ihr also möglichst schnell von seiner Hauptinsel verbannen, denn diese ziehen Attraktivität ab. Unangetastete Natur, Feierlichkeiten und Prestigebauten wie die Weltausstellung steigern sie hingegen. Es lohnt sich in "Anno 1800" sogar zum Schönbauer zu werden und Ornamente in der Stadt zu platzieren, da dadurch ebenfalls die Attraktivität gesteigert wird. Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieses Systems sind der Zoo und das Museum. In diesen frei gestaltbaren Arealen, könnt ihr mit Hilfe von seltenen Tieren oder Artefakten die Attraktivität enorm steigern. Diese seltenen Items bekommt ihr entweder durch das Absolvieren von Aufgaben der K.I.-Gegner, zum Kaufen in den Kontoren der neutralen Charaktere oder ihr schickt eines eurer Schiffe auf eine Expedition. In diesen Expeditionen verkommt das Spiel dann sogar zu einem Text-Adventure. Was anfangs das Spielgeschehen noch auflockert, nutzt sich jedoch durch wiederholende Texte schnell ab. Letzten Endes klickt ihr nur auf die Auswahlmöglichkeit die die höchste Chance auf Erfolg verspricht und hofft darauf, dass das Schiff heil und mit seltenen Items an Bord wieder in die Heimat zurückkehrt. Ein netter Einfall sind die Expeditionen dennoch. 

Züge transportieren das wichtige Öl
Züge transportieren das wichtige Öl

Die Elektrizität verändert alles

Der Anfang des 19. Jahrhunderts ist vor allem deswegen ein so spannendes Setting, da "Anno 1800" inmitten der industriellen Revolution spielt. Und das macht sich im Spiel enorm bemerkbar. Mit dem Aufstieg zur vierten Bevölkerungsstufe der Ingenieure, wird nämlich das komplette Spiel auf links gedreht. Ab da steht alles im Zeichen der Elektrizität. Mit Bohrtürmen muss zunächst einmal Öl gewonnen werden, welches dann mit Tankern zu den neu errichteten Kraftwerken verschifft wird, die dann wiederum den Strom liefern den Ingenieure in der Stadt verlangen. Noch wichtiger ist die Stromerzeugung jedoch für die Produktionen, denn mit Storm versorgte Produktionsstätten verdoppeln ihre Warenproduktion. Doch damit nicht genug. Erstmals in der "Anno"-Historie kommen dabei auch Züge ins Spiel. Diese sind dazu da um das Öl auf den Inseln zu transportieren. Wer zuvor also seine Inseln zu vollgestopft hat, kommt nun in die Bredouille, da er keinen Platz mehr für das notwendige Schienensystem hat. Und als wäre das noch nicht genug, kommt zur gleichen Zeit auch noch das Pendlerkai hinzu, mit denen Arbeitskräfte zwischen den Inseln ausgetauscht werden. Zuvor müsst ihr nämlich auf jeder Produktionsinsel kleinere Städte aufbauen um die erforderlichen Arbeitskräfte aufzutreiben. Und genau hierbei liegt für mich die größte Schwäche von "Anno 1800". Für jemanden der es bevorzugt, bei "Anno" außer ein paar Minen keinerlei Produktionsstätten auf seiner Hauptinsel zu haben und stattdessen alles auszulagern, kommt der Pendlerkai schlichtweg zu spät! Denn mit dem Einstieg in die vierte Bevölkerungsstufe zieht sich das Spiel extrem hin. Bis die Ölproduktion läuft, alle Inseln mit Strom versorgt sind und alle Produktionsstätten von der Hauptinsel auf die Versorgungsinseln ausgelagert sind, vergehen unzählige Stunden in denen Wachstumsmäßig nichts voran geht. In den Vorgängern war es problemlos möglich die Produktionsketten von Anfang an auszulagern, hier wird das Spielgeschehen unnötig ausbremst, da reine Versorgungsinseln erst ab dem Pendlerkai sinnvoll werden. Die Möglichkeit einen Pendlerkai früher zu bauen, beispielsweise in der zweiten Bevölkerungsstufe, hätte eine Menge nerviges umsiedeln erspart.

Das große Ziel: Die gläserne Weltausstellung
Das große Ziel: Die gläserne Weltausstellung

Verbessertes Kampfsystem und spannendes Endgame

Je weiter das Spiel voran schreitet, desto knapper wird der Platz in der Welt. Denn die K.I.-Gegner expandieren aggressiv und haben sich ehe ihr euch versieht alle Inseln unter den Nagel gerissen. Dann hilft nur noch eins: Krieg! Das Erschließen neuer Bauflächen war nie eine der Stärken der Anno-Reihe, entsprechend glücklich bin ich mit der Fortführung des Kriegssystems aus "Anno 2205". Der Krieg findet ausschließlich auf dem Wasser statt. Die langsamen und nervigen Bodentruppen aus früheren Teilen gehören somit endgültig der Vergangenheit an. Das mag vielleicht am Realismus zehren, spielt sich aber deutlich dynamischer als früher. Zumal dort auch die neu eingeführte Windberechnung interessant wird. Segelschiffe sind in "Anno 1800" mit Wind zwar pfeilschnell unterwegs, voll beladen und im Gegenwind kommen sie jedoch kaum von der Stelle. Abhilfe schaffen hierbei die Dampfschiffe, die sich vom Wind unbeeindruckt zeigen. Im Krieg sorgen die unterschiedlichen Schiffstypen für taktische Abwechslung, da ein schwerbewaffnetes Schlachtschiff zwar ordentlich Schaden verteilt, dabei aber verdammt schwerfällig ist. Wer wie ich aber ohnehin ein friedvolles Spiel bevorzugt, kann in "Anno 1800" auch wieder die Inselanteile eines Gegners aufkaufen und somit Inseln friedlich übernehmen. Eine gute diplomatische Beziehung ist dabei jedoch Pflicht, denn natürlich sehen es die K.I.-Gegner nicht gerne, wenn ihr euch eine ihrer vollgebauten Inseln unter den Nagel reißt.

Obwohl eine Partie "Anno" als Endlosspiel bezeichnet wird und ihr theoretisch auch endlos lange daran sitzen könnt, hat jede Partie natürlich ein Ziel: Die Erbauung des Monuments. Der sündhaft teure Prunkbau gehört zu "Anno" wie die sympathische Erinnerung, dass ihr nach mehreren Stunden am Stück doch mal eine Pause einlegen solltet. In "Anno 1800" wird das Monument als Weltaustellung bezeichnet und wird in fünf Bauabschnitten für riesige Mengen an Materialien aus der Erde gestampft. Die letzte Stufe benötigt dabei nicht nur die Materialen und eine hohe Zahl an Arbeitskräften, sondern auch Elektrizität und 5.000 Investoren als Grundvoraussetzung. Belohnt werdet ihr dann nicht nur durch ein hübsches Gebäude mit seinem beeindruckenden Glas-Dach, in "Anno 1800" könnt ihr mit dem Monument sogar noch etwas anfangen. Drei bzw. vier Ausstellungen, mit dem DLC "Botanica", stehen zur Auswahl. Wahlweise in bescheidener, großer oder riesiger Größe (Die jedoch 10.000 Investoren vorraussetzen). Und hier kommt die fünfte und letzte Bevölkerungsstufe der Investoren ins Spiel. Diese bringen zwar keine Arbeitskräfte ein, helfen dem Spieler aber bei der Beschaffung von benötigten Gütern wie Bananen oder Bier für die Gäste der Ausstellung. Bei erfolgreichem Abschluss einer Weltausstellung warten wie nach einer Expedition, seltene Items auf die Spieler. Von Museumsartefakten, über Items für die Handelskammern und Co., bis hin zu brandneuen Deko-Elementen. Eine gelungene Idee, die auch über den Monumentalbau hinaus noch motiviert. 

Geschäftiges Treiben in der neuen Ego-Ansicht
Geschäftiges Treiben in der neuen Ego-Ansicht

Das schönste Aufbauspiel aller Zeiten

Während man spielerisch sicherlich diskutieren kann welcher denn nun der beste Teil der Reihe ist, so bleibt eines außer Frage: "Anno 1800" ist der hübscheste Teil der Reihe und das schönste Aufbauspiel auf dem Markt. "Anno 1800" erstrahlt in einer grafischen Pracht, ermöglicht stufenlosen Zoom und ist ungemein atmosphärisch. Warum das so ist verrät ein Blick in die brandneue Ego-Ansicht. Erstmals ist es möglich per Tastenkombination die Sicht der Bewohner einzunehmen. Grafisch sind die Polygon-Figuren natürlich nicht auf der Höhe mit anderen Spielen, was bei einem Aufbauspiel aber auch niemand verlangt. Jedoch erkennt man wie ungemein detailverliebt die Entwickler von Blue Byte zu Werke gegangen sind. Das geschäftige Treiben in den Städten zu beobachten ist spannend, zumal all die kleinen Details wie die Rauchschwaden der Schornsteine, Beleuchtungen, Strommasten und wehenden Fähnchen noch einmal mehr ins Auge stechen. Das tolle Gimmick wird nur noch vom großartigen Soundtrack des Spiels übertroffen, der die Atmosphäre endgültig perfekt macht. Die "Anno"-Reihe hatte schon immer einen fantastischen Soundtrack, gerade die Musik in der neuen Welt ist mir jedoch nachhaltig in Erinnerung geblieben. All das macht "Anno 1800" zu einem audiovisuellen Hochgenuss.

Spielerisch anspruchsvoll und optisch abwechselnd: Die Arktis
Spielerisch anspruchsvoll und optisch abwechselnd: Die Arktis

Season Pass 1: Die Ruhe vor dem Sturm

Neben dem Hauptspiel ist in der Investorausgabe das Deluxe-Paket mit dem Soundtrack, einem digitalen Artbook, sowie einigen In-Game-Inhalten dabei. Highlight dieser Komplettbox sind aber die drei (alternativ auch seperat erhältlichen) Season Passes, die jeweils drei DLCs enthalten. Den Anfang macht "Gesunkene Schätze", der die Alte Welt um die Region Kap Trelawney erweitert. Highlight dieser neuen Region ist die bislang größte Insel der "Anno"-Geschichte, bei der sich Enthusiasten eine Mega-Metropole errichten können. Für mich war dieser DLC jedoch uninteressant, da man nicht von Anfang an die neue Region besiedeln kann, sondern sie zunächst freispielen muss. Als es dann soweit war, hatte ich schon eine große Stadt in der alten Welt aufgebaut. "Botanica" ergänzt den Zoo und das Museum um einen Botanischen Garten. Insgesamt bietet das DLC eine nette Ergänzung, die dank neuer Ornamente sowohl Sammler als auch Schönbauer ansprechen dürfte. Der wirkliche Kaufgrund für den ersten Season Pass bildet jedoch "Die Passage". In dieser neuen Region verschlägt es den Spieler in die Arktis. Zwei neue Bevölkerungsstufen der Entdecker und Techniker, sowie zahlreiche neue Produktionsketten warten auf erfahrene Spieler, denn der DLC ist dank Platzmangel und Heizöfen mit begrenzter Reichweite, kein Zuckerschlecken. Zur Belohnung gibt es dann aber die schnellen Luftschiffe und Gaskraftwerke, die einige Schienennetze in der alten Welt obsolet machen. "Die Passage" ist ein insgesamt sehr gelungener DLC und beschäftigt noch einmal über viele Stunden hinweg.

In Enbesa muss der Boden erst bewässert werden
In Enbesa muss der Boden erst bewässert werden

Season Pass 2: Der Weg auf den Anno-Thron

Mit "Paläste der Macht" startete im Jahr 2020 der zweite Season Pass. Dieser DLC stärkt das Endgame von "Anno 1800" und bringt mächtige Boni in fünf Ministerien mit sich. Dazu sieht der frei gestaltbare und schlichtweg gigantische Palast ungemein gut aus und sorgt für mächtig Prunk und Protz auf der Hauptinsel. Noch gelungener ist das DLC "Reiche Ernte", zumindest wenn ihr eure Produktionen gerne so effizient wie möglich gestaltet. Statt sich nur auf Handelskammern und Elektrizität verlassen zu müssen, bringt das DLC mit Silos und Traktoren ungeahnt effiziente Produktionsketten zum Vorschein. Immerhin produziert eine Farm mit Traktoren auf einmal 300% der üblichen Warenmenge. Wer ab der vierten Bevölkerungsstufe fleißig auf Elektrizität setzt und Tankhöfe baut, spart dadurch jede Menge Arbeitskräfte ein, wodurch im Endgame 5.000 oder gar 10.000 Investoren deutlich kleinere Städte verlangen. Der letzte DLC "Land der Löwen", erschien im Oktober 2020 und erweiterte "Anno 1800" noch einmal um eine fünfte Region. Hier verschlägt es den Spieler in die trockenen Gefilde Afrikas. In Enbesa angekommen verlangen die beiden neuen Bevölkerungsstufen der Hirten und Ältesten nach einer funktionierenden Wasserversorgung, ansonsten wächst auf dem trockenen Boden nämlich nichts. Nicht umsonst erinnert das DLC an den Orient aus "Anno 1404", das Bewässerungssystem wurde hier jedoch sinnvoll erweitert, da die Kanäle nun frei platziert werden können. "Land der Löwen" ist der umfangreichste DLC von "Anno 1800" denn mit dem sehr gelungenen Ausflug nach Enbesa ist es noch längst nicht getan. Stattdessen halten die Gelehrten Einzug in die alte Welt. Die sechste Bevölkerungsstufe benötigt Waren aus allen Ländern (außer der Arktis) und bringt mit dem neuen Monumentalbau "Forschungsinstitut" großartige Neuerungen mit sich. Gelehrte generieren Forschungspunkte und sorgen damit für die Möglichkeit, einige bahnbrechende Erfindungen zu machen. So lassen sich beispielsweise Ölvorkommen verschieben, Fruchtbarkeiten verändern und Items herstellen. Die gelungene neue Welt und die clevere Endgame-Herausforderung, macht "Land der Löwen" zum besten DLC und sorgt damit für die Krönung des Aufbauspiel-Meisterwerks.

Der Warentausch mit der neuen Speicherstadt
Der Warentausch mit der neuen Speicherstadt

Season Pass 3: Sie haben ein Monster erschaffen

"Von wegen Krönung", haben sich Ubisoft und die Entwickler von Blue Byte gedacht und im Jahr 2021 noch einen dritten Season Pass hinterher geschoben. Der "Speicherstadt"-DLC kümmert sich um den Hafenbereich und liefert ein modular-anpassbares Gebäude, ohne jedoch die Schönheit und Detailverliebtheit des Palastes zu erreichen. Viel interessanter ist ohnehin der Warentausch, der mit der Speicherstadt ermöglicht wird. Dieser vereinfacht das Spiel zur Abwechslung, indem ihr überschüssige Waren mit knappen Waren wie Kaffee und Rum zu einem bestimmten Verhältnis tauschen könnt. "Reisezeit" erweitert hingegen das Tourismus-System um Hotels, Cafés und Restaurants. Die Touristen werden damit zu einer eigenen Bevölkerung, die zahlreiche neue Waren benötigen um zufriedengestellt zu werden. Dazu muss neben den neuen Gebäuden auch Platz für Bushaltestellen geschaffen werden, mit denen ihr die Touristen zu interessanten Orten bringt. In fertigen Städten muss also einiges neu geplant werden. Am Ende winkt zur Belohnung ein dem Eiffelturm nachempfundenes Monument. Der letzte DLC "Dächer der Stadt" bringt dann die ultimative Endgame-Herausforderung. Ingenieurs- und Investorenhäuser können in vier Stufen zum Wolkenkratzer ausgebaut werden. Die machen zwar einiges her, allerdings sind die neuen Bedürfnisse der Bewohner knallhart und der Panoramaeffekt bietet einiges an Kopfzerbrechen. Nur Anno-Profis mit viel Zeit, werden am Ende die benötigten 40 (!) Hochhäuser in der höchsten Stufe erreichen, um den Skyline-Tower (aka Empire State Building) zu errichten. Mit unzähligen neuen Produktionsketten, einem Warentausch und den Touristen, macht der dritte Season Pass "Anno 1800" zu einem absoluten Monster in Sachen Umfang und Komplexität. Gelegenheitsspieler haben kaum noch eine Chance, für Aufbau-Enthusiasten ist das Spiel hingegen das reinste Paradies. Auch ich kann es kaum erwarten, jetzt mit (vermutlich) allen DLCs noch einmal ein neues Spiel zu starten.

Der individuell gestaltbare Palast ist ein echter Hingucker
Der individuell gestaltbare Palast ist ein echter Hingucker

Ein teurer Spaß

Wie bereits im Vorgänger "Anno 2205", setzt Ubisoft also erneut auf einen Season Pass, statt der klassischen Erweiterung früherer Teile. Generell eine gute Sache, immerhin lässt sich das Gameplay damit facettenreicher erweitern, als mit einem einzigen thematischen Erweiterungspaket, wie beispielsweise "Anno 1404: Venedig". Vor allem wenn diese eine solche Qualität besitzen, wie die drei Season Passes von "Anno 1800". Auf der Gegenseite stehen die Kosten von 25€ pro Season Pass, ein Preis bei dem jeder selbst entscheiden sollte, ob er bereit ist ihn zu bezahlen. Gerade "Gesunkene Schätze" und "Botanica" aus dem Season Pass 1, sind nun mal lediglich nette Ergänzungen. Dazu ist der Ärger der Königsedition-Käufer verständlich, die dachten sie hätten wie immer alle Inhalte in einer Ausgabe, ehe der überraschende dritte Season Pass zur Investorausgabe führte. Für Kunden die das Hauptspiel bereits gekauft haben, gibt es zudem noch ein weiteres Problem: Die DLCs lassen sich zwar problemlos in ein bestehendes Spiel integrieren, gerade der gigantische Palast, das Ernte-DLC und die Touristen, erfordern aber einiges an mühsamer Umgestaltung der Inseln. Da haben es Käufer der 110€ teuren Investorausgabe deutlich einfacher, die von Anfang an mit allen Inhalten planen können. Einziger Wermutstropfen: Kosmetische DLCs wie das Weihnachts- und Jahrmarkt-Paket sind weder im Season Pass, noch in der Investorausgabe enthalten und müssen für 3,99€ bzw. 4,99€ nachgekauft werden. Alles in allem ist "Anno 1800" also durchaus ein teurer Spaß.

 

Fazit

Den deutschen Entwicklern von Blue Byte gelingt mit "Anno 1800" endlich wieder der ganz große Wurf. Die industrielle Revolution entpuppt sich als perfektes Setting für ein ebenso komplexes wie motivierendes Spiel, dass mich stundenlang an den Bildschirm gefesselt hat. Das bewährte "Anno"-Prinzip wird dabei mit vielen sinnvollen Neuerungen wie der Elektrizität, Expeditionen und einer Weltausstellung erweitert. Da fallen auch einige Schwächen nicht allzu sehr ins Gewicht, obwohl ich mich im Mittelteil meines Endlosspiels durchaus etwas geärgert habe. Dafür ist die enorme Umstrukturierung, die ab der vierten Bevölkerungsstufe notwendig ist, einfach zu zeitaufwändig (Nachtrag: Ja, den Pendlerkai hätte BlueByte gerne schon ab der dritten Bevölkerungsstufe verfügbar machen können, in meinem zweiten Spiel habe ich aber aus meinen Fehlern gelernt und die Umstrukturierung war längst nicht mehr so zeitaufwändig). Das ändert jedoch nichts daran, dass "Anno 1800" ein fantastisches Spiel ist, das dank der wunderschönen Grafik und einem tollen Soundtrack eine ungemein dichte Atmosphäre versprüht. Ob "Anno 1800" damit am Reihenhöhepunkt "Anno 1404" vorbei zieht, lässt sich nur schwer sagen. Immerhin schwingt bei "Anno 1404" auch noch eine Menge Nostalgie mit. Während die Hauptspiele ungefähr auf einer Ebene liegen, lassen die DLCs das Pendel aber definitiv in Richtung "Anno 1800" ausschlagen. Die abwechslungsreichen Erweiterungen sorgen zum einen für das beste Endgame der "Anno"-Historie, neuen Möglichkeiten bei der Perfektionierung der Produktionsketten und insgesamt drei neuen Regionen. Dieses umfangreiche Paket macht "Anno 1800" zum besten Teil der Reihe und zu einem Meilenstein des Genres.

 

10/10


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