Too Old to Die Young - Staffel 1

Staffelstart: 14.06.2019 | Anbieter: Prime Video | Episoden: 10 | FSK: 16 | Land: USA | Genre: Krimi | Originaltitel: Too Old to Die Young


Kritik

#byNWR, mehr braucht es inzwischen nicht mehr um als Zuschauer zu wissen was einen erwartet. Der Däne Nicolas Winding Refn ist spätestens nach seinem Meisterwerk "Drive" (10/10) aus dem Jahr 2012 einer der angesehensten Autorenfilmer Hollywoods. Statt danach die offenen Türen der großen Hollywood-Studios einzurennen, hat Refn weiter sein Ding durchgezogen und hat sich nach seinem Mainstream-Kompatibelsten Film "Drive" mit "Only God Forgives" (9/10) und "The Neon Demon" (9/10) wieder dem Arthouse-Kino zugewandt. Jetzt erscheint mit "Too Old to Die Young" die erste Serie des Regisseurs auf dem Streamingportal von Amazon Prime. In 10 Episoden erzählt er von der kriminellen Untergrund-Welt von Los Angeles, wobei der bedingungslose Stilwillen des Regisseurs wieder einmal über allem steht. "Too Old to Die Young" ist eine in jeder Hinsicht außergewöhnliche Serie, die von Refn zurecht als 13 Stunden langer Film bezeichnet wurde. Für manche klingt 13 Stunden NWR wie eine Drohung, Neulinge in der Welt von NWR werden sich ohnehin vor den Kopf gestoßen fühlen, doch für Fans des exzentrischen Regisseurs ist die Serie ein Fest.

 

Trotz der Zugkraft von namhaften Stars wie Miles Teller ("Whiplash"), mit dem der Däne erstmals zusammen arbeitet, oder Jena Malone ("Die Tribute von Panem"), die nach "The Neon Demon" ein zweites Mal für Refn vor der Kamera steht, der Star der Serie steht hinter der Kamera. Nicolas Winding Refn fungiert als Showrunner, Produzent und Drehbuchautor und inszeniert darüber hinaus alle zehn Episoden der Serie selbst. Dabei trägt die Serie unverkennbar die Handschrift des Dänen, die Fans sofort wieder erkennnen werden. Vom wortkargen Hauptcharakter, über den hypnotischen Soundtrack von Cliff Martinez, bis hin zu den plötzlichen Gewaltausbrüchen, wer mit den bisherigen Arbeiten von Refn vertraut ist, wird sich direkt wie zu Hause fühlen. Vorausgesetzt man kommt mit dem exzentrischen Stil des Dänen zurecht, ansonsten wird die Serie nämlich zu einer langen Geduldsprobe. Refn-typisch bewegen sich die Darsteller nämlich wieder wie in Zeitlupe, jede Szene wird bis zur letzten Sekunde ausgekostet und die Kamera verharrt in oftmals endlosen Einstellungen. "Too Old to Die Young" ist ein 100 prozentiger NWR-Film, der stilistisch aber vor allem an die beiden Vorgänger "Only God Forgives" und "The Neon Demon" erinnert. Die Bilder sind meist in buntes Neonlicht getaucht und da Refn nichts dem Zufall überlässt, von einer grandiosen visuellen Brillanz. Im Prinzip kann man die Serie jederzeit pausieren und sich das Standbild als Poster in die Wohnung hängen. Von der ersten Episode an verliert man sich direkt wieder in der hypnotischen Sogwirkung die die Bilder gepaart mit den elektronischen Klängen erzeugen. Nicolas Winding Refn ist und bleibt einfach der Meister des Style-over-Substance.

Keiner schafft es über zehn Episoden hinweg so an den Bildschirm zu fesseln wie er, obwohl die Handlung dabei nur minimale Fortschritte macht. Im Grunde könnte man die Story auch locker in der Hälfte der Zeit erzählen, in der der Kriminalpolizist Martin Jones (Miles Teller) ein Doppelleben als Auftragskiller führt. Nach einer schicksalhaften Schießerei rutscht er immer mehr in den kriminellen Untergrund ab, während ihn die Schatten seiner Vergangenheit einzuholen drohen. Die übergeordnete Story ist also alles andere als neu, doch wie immer bei Refn ist es dem Zuschauer überlassen hinter die kalte Fassade der Charaktere zu blicken und in den bedeutungsschwangeren Dialogen mehr über die Meta-Ebene der Serie zu erfahren. Dabei erinnert "Too Old to Die Young" tatsächlich weniger an eine klassische Serie als vielmehr an einen überlangen Film. Die ersten beiden Episoden dienen erst einmal zur Einführung der Charaktere und werden bereits jeden Abschrecken der beim Stöbern auf Amazon Prime zufällig auf die Serie gestoßen ist und nicht weiß worauf er sich da einlässt. Der extrem langsame Einstieg wird auch all jene verjagen die mit Refn bislang nichts anfangen konnten, im Grunde also ein genialer Schachzug des Dänen. Für alle anderen geht es dann erst richtig los. Das Tempo zieht ab der dritten Episode etwas an und die Story kommt immer mehr in Fahrt, bis die Serie in der achten Episode ihr Finale feiert. Von einer außergewöhnlichen Verfolgungsjagd, bis hin zu zahlreichen Gewaltspitzen und Sexszenen, bekommt der Zuschauer in diesen großartigen Episoden einiges geboten. In den letzten beiden Episoden folgen wiederum nur noch wenige Highlights, weswegen der Serie auch eine höhere Bewertung meinerseits leider verwehrt blieb. Diese letzten beiden Episoden fungieren als Ende der Geschichte, das dabei erstaunlich offen ausfällt. Wenn Refn und Amazon wollen, kann man sogar noch eine zweite Staffel hinterher schieben. In einer Sache unterscheidet sich "Too Old to Die Young" dann aber doch von Refns letzten Werken. Sei es durch die geradezu lächerlich dargestellten Polizisten oder durch den einen oder anderen abgedrehten Charakter, immer wieder streut Refn untypisch für ihn Humor ein und zwar von der sehr grotesken Sorte. Mein Fall waren die absurden Einschübe jedenfalls nicht immer, alle "Twin Peaks"-Fans werden sich darüber jedoch freuen.

Die Charaktere halten ebenfalls einige Überraschungen parat. Miles Tellers Hauptcharakter Martin Jones ist Refn-typisch sehr schweigsam, hinter seiner versteinerten Fassade gibt es jedoch kaum etwas zu entdecken. Als Zuschauer erfährt man reichlich wenig über den Polizisten und Miles Teller kann seinem Charakter nicht die gleiche Ausstrahlung verleihen wie ein Ryan Gosling, der das ausdruckslose Spiel inzwischen perfektioniert hat. Entsprechend schwer fiel es mir für ihn Sympathien zu entwickeln. Miles Teller steht jedoch weit weniger im Mittelpunkt der Story als man das zuvor vermuten konnte. Nicht nur stehlen ihm die Nebencharaktere wie seine minderjährige Freundin Janey (Nell Tiger Free) oder ihr durchgeknallter Vater Theo (William Baldwin) immer wieder die Schau, auch im Laufe der Geschichte wird Martin mehr und mehr als Hauptcharakter abgelöst. Und zwar von der Storyline um das mexikanische Drogenkartell, genauer gesagt vom spannenden Duo um Anführer Jesus (Augusto Aguilera), der einen ausgeprägten Mutter-Komplex besitzt und seiner undurchsichtigen Ehefrau Yaritza. Die beiden reißen als kongeniales Duo die Serie im Laufe der Zeit an sich, was ich in der Form nicht erwartet habe. Gerade Yaritza, die sich selbst als Hohepriesterin des Todes bezeichnet, ist der faszinierendste Charakter der Serie. Die verführerische Killerin und Femme fatale wird von Cristina Rodlo verkörpert, die einen denkwürdigen Auftritt hinlegt und die ganze Serie an sich reißt. Nach Ryan Goslings ikonischem Driver ist sie wohl mein Lieblingscharakter aus dem Refn-Kosmos. 

 

Fazit

Vom grotesken Humor einmal abgesehen, liefert Nicolas Winding Refns erste Serie alles was Fans an den Werken des Dänen kennen und lieben. Schweigsame Charaktere, endlose Einstellungen und blutige Gewaltspitzen werden in fantastischen Neonfarbenen Bildern eingefangen, die gepaart mit dem hypnotischen Soundtrack von Cliff Martinez wieder für eine einzigartige audiovisuelle Brillanz sorgen. Die Geschichte ist dem Stil eindeutig untergeordnet, dafür sorgen die schillernden Charaktere (allen voran die fantastische Christina Rodlo als faszinierende Hohepriesterin des Todes Yaritza) für zahlreiche Highlights. Dadurch unterhält "Too Old to Die Young" trotz anfänglicher Skepsis über die gesamten 13 Stunden hinweg, auch wenn das leider recht unspektakuläre Ende eine höhere Bewertung verhindert. Zusammenfassend bleibt mir nur eins zu sagen: "Too Old to Die Young" ist ein Fest für Refn-Fans und ein Albtraum für alle anderen.

 

8/10


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Poster&Trailer: © Amazon