Bridgerton - Staffel 1

Staffelstart: 25.12.2020 | Anbieter: Netflix | Episoden: 8 | FSK: 16 | Land: USA | Genre: Drama, Romanze


Kritik

82 Millionen Haushalte haben die erste Staffel von "Bridgerton" in den ersten 28 Tagen nach ihrem Erscheinen gesehen. Damit überholt das romantische Historiendrama sogar das Fantasy-Spektakel "The Witcher" aus dem vergangenen Jahr, das auf 76 Millionen Haushalte kam. Der Titel der "erfolgreichsten Netflix-Serie aller Zeiten" war für mich dann auch der Grund einen Blick in die Serie zu riskieren, obwohl ich mich zuvor vehement dagegen gewehrt hatte. Immerhin sind solche knallbunten Historiendramen, gepaart mit zahlreichen Romanzen und ordentlich Zuckerguss obendrauf, so gar nicht meine Welt. Irgendetwas muss die erste Netflix-Serie der "Grey's Anatomy"-Macherin Shonda Rhimes jedoch richtig machen, dass ich die acht Episoden der ersten Staffel in gerade einmal zwei Tagen verschlungen habe und ich mich letztlich sogar für das mir völlig fremde Thema begeistern konnte. Denn am Ende entpuppt sich die Verfilmung des ersten von insgesamt acht Büchern der gleichnamigen Romanreihe von Julia Quinn, als eine echte Überraschung.

 

Die Romanvorlage "Die Bridgertons" dreht sich um die acht Kinder der gleichnamigen Familie und stellt in jedem Buch ein Kind in den Vordergrund. Den Anfang macht das vierte Kind Daphne (zur Übersichtlichkeit wurden die Kinder alphabetisch von A wie Anthony bis H wie Hyazinthe benannt) die als Kronjuwel der Londoner Ballsaison des Jahres 1813 gilt. Die älteste Tochter der Adelsfamilie trifft dabei auf den charmanten und rebellischen Herzog von Hastings, Simon Bassett (Rege-Jean Page), die zunächst kein Interesse für einander zu haben scheinen, doch (welch Überraschung!) schon bald entwickelt sich eine unbestreitbare Anziehung zwischen den beiden. Wenn da nur nicht die geheimnisvolle Klatsch-Reporterin Lady Whistledown wäre, die mit ihrem skandalösen Gesellschafts-Journal für ordentlich Furore in der Welt der Adeligen sorgt.

Eine Inhaltsangabe wie diese sorgt normalerweise schon dafür, dass ich einen großen Bogen um Filme und Serien wie diese mache. Ganz egal ob es sich dabei um Jane Austen-Verfilmungen handelt oder um gefeierte Filme wie "Little Women", der mich ebenfalls nicht überzeugen konnte. Meinen Geschmack trifft das Genre nur in den seltensten Fällen, wie beispielsweise im herausragenden Liebesdrama "Porträt einer jungen Frau in Flammen" aus dem Jahr 2019. So kam es wenig überraschend, dass die erste Episode von "Bridgerton" diesen Eindruck bestätigte. Diese wirft den Zuschauer nicht nur durch die Einführung unzähliger Charaktere ins kalte Wasser, sondern sorgt mit der Vereinbarung zwischen dem Herzog und Daphne, nur so zu tun als ob sie ein Liebespaar wären, für rollende Augen. Immerhin sollte jedem in diesem Genre klar sein, dass sich die beiden doch noch ineinander verlieben und es am Ende ein zuckersüßes Happy End gibt. Spoiler Alert: Genau so kommt es auch. Der Weg dorthin hält dennoch die eine oder andere Überraschung bereit und ich bin heilfroh dass Simon und Daphne bereits nach der ersten Hälfte der Staffel zueinander fanden und nicht erst am Ende der Staffel, was meine Befürchtung nach der ersten Episode war und wodurch ich mich auf eine zähe Angelegenheit einstellte. Zäh war "Bridgerton" jedoch nicht im Geringsten und das obwohl die Serie von Anfang bis Ende vorhersehbar bleibt. Dass die Geschichte trotz allem funktioniert, liegt hauptsächlich an den sympathischen Charakteren. Nicht nur habe ich dem angehenden jungen Paar Daphne und Simon die Daumen gedrückt, viel mehr waren es die Nebencharaktere die mich überrascht haben. Nachdem ich in der ersten Episode mit der schieren Maße der Charaktere noch dezent überfordert war, gelingt es der Serie im Verlauf viele spannende Geschichten und Charakter-Bögen aufzustellen. Herausstellen möchte ich an dieser Stelle Daphnes jüngere Schwester Eloise, die als Feministin meine Gefühle zu der Ballsaison teilt und ihre Absurdität immer wieder anprangert (dadurch hatte sie leichtes Spiel mein Lieblingscharakter zu werden), sowie die Geschichte der befreundeten Adelsfamilie der Featheringtons, die sich mit Wettschulden und unehelichen Kindern herumschlagen müssen. Am Spannendsten entpuppt sich jedoch das Geheimnis um die Identität der rätselhaften Lady Whistledown, ein Geheimnis das im Verlauf der Staffel sogar tatsächlich aufgedeckt wird. Ein Blick auf die Charaktere zeigt also wieso "Bridgerton" so gut bei mir funktioniert hat. Obwohl es mir eigentlich nicht egaler sein könnte wer hier eigentlich wen heiratet oder wer über wen "Gossip" verbreitet, sorgten die tollen Charaktere dafür, dass mich die Geschichte unterhalten konnte und ich immer wissen wollte wie es weitergeht. Selbst das obligatorische Happy End hat mich nicht gestört, da ich den Charakteren viel zu sehr die Daumen gedrückt habe. Und ganz so zuckersüß ist das Happy End auch nicht, immerhin müssen einige der Nebencharaktere im Finale noch schwere Schicksalsschläge verdauen.

In Sachen Inszenierung setzt die Serie auf den Grundsatz mehr ist mehr. In "Bridgerton" treffen knallbunte Farben, auf ausgefallene Kostüme und imposante Sets. Netflix hat sich also einmal mehr nicht Lumpen lassen. Wer jedoch eine historisch akkurate Erzählung erwartet, dürfte bitter enttäuscht werden, denn die Serie wirkt mehr wie eine Fanfiction des 19. Jahrhunderts. In der Welt von "Bridgerton" existieren nicht nur schwarze Adelige und sogar eine schwarze Königin, sondern auch starke, unabhängige und feministische Frauenfiguren, die es so im 19. Jahrhundert wohl nicht gegeben hat. Das "Bridgerton" aber auch ganz bewusst diesen modernen Anstrich wagt, zeigt ein Blick auf den Soundtrack. In bester "Westworld"-Manier bekommen aktuelle Pop-Songs von Billie Eilish oder Taylor Swift ein Geigen-Cover. Das ist durchaus gelungen, an den hervorragenden Klavier-Soundtrack von "Westworld" kommt die Musik jedoch nicht heran. Auch darüber hinaus ist "Bridgerton" der pure Seifenoper-Eskapismus, der nicht allzu viel wert auf Logik oder Realismus dreht. So scheint die Gesellschaft fast ausschließlich aus Adeligen zu bestehen, alles sieht prachtvoll aus und natürlich scheint in London fast durchgängig die Sonne, nichts anderes ist man vom Wetter auf der Insel gewöhnt. Wenn man sich mit diesem Kitsch zumindest einigermaßen arrangieren kann, wird man mit "Bridgerton" aber eine gute Zeit haben. Zumal ich am Ende dieser Kritik noch ein Lob für die zahlreichen und viel diskutierten Sexszenen auszusprechen habe. Gerade in der zweiten Hälfte der Staffel geht es ordentlich zur Sache und als einer der mit stilisierten Sexszenen alà James Bond, in denen ein Pop-Song im Hintergrund läuft und letztlich das Schäferstündchen nur angedeutet wird, nicht allzu viel anzufangen weiß, hat mir die authentische Inszenierung hier definitiv gefallen.

 

Fazit

Nichts liegt mit ferner als das Genre von romantischen Historiendramen und es könnte mir nicht egaler sein wer sich gerade in wen verliebt. Aus diesem Grund mache ich normalerweise einen großen Bogen um Stoffe wie diesen, nach dem enormen Erfolg der Serie war die Neugierde jedoch zu groß. Und was soll ich sagen? Meine anfängliche Skepsis verflog schnell, denn trotz aller Vorhersehbarkeit, weiß "Bridgerton" hervorragend zu unterhalten und insbesondere durch die zahlreichen gelungenen Nebencharaktere zu überzeugen. Dadurch funktionierte "Bridgerton" bei mir überraschend gut und ich verzieh der Serie sogar ihren übermäßigen Kitsch. Lediglich eine historisch akkurate Version von London im Jahr 1813 darf man nicht erwarten, da die Serie mit klassischen Covern aktueller Pop-Songs und schwarzen Adeligen ihre eigenen, modernen Wege geht. Ob die zweite Staffel diese freudige Überraschung wiederholen kann, bleibt jedoch fraglich. Zum einen nimmt die Enthüllung der Identität von Lady Whistledown der Serie mitunter viel von ihrer Spannung, zum anderen rückt mit Anthony einer der schwächeren Charaktere der Serie in den Fokus. Ich bin also skeptisch ob die Fortsetzung das Niveau halten kann, werde jedoch definitiv wieder einschalten, so sehr ich mich damit selbst überrasche.

 

8/10


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Poster&Trailer: © Netflix