The Witcher - Staffel 1

Staffelstart: 20.12.2019 | Anbieter: Netflix | Episoden: 9 | FSK: 16 | Land: POL, USA | Genre: Fantasy | Originaltitel: The Witcher


Kritik

Der König ist tot, lang lebe der König! Nach dem Ende von „Game of Thrones“ springen nun alle große Serienproduzenten auf den Fantasy-Zug auf, in der Hoffnung den unglaublichen Erfolg der HBO-Serie zu wiederholen. Amazon schickt seine eine Milliarde Dollar teure „Der Herr der Ringe“-Serie ins Rennen, HBO selbst wartet mit „His Dark Materials“ und dem „Game of Thrones“-Spin-off „House of the Dragon“ auf und Netflix mit der Romanadaption von „The Witcher“. Der titelgebende Hexer ist vor allem Videospiel-Fans ein Begriff. Mit „The Witcher 3“ hat das polnische Entwicklerstudio CD Project Red im Jahr 2015 eines der besten Videospiele aller Zeiten veröffentlicht. Der Hype um das Videospiel beflügelte auch die Verkaufszahlen der gleichnamigen Buchreihe des polnischen Autors Andrzej Sapkowski. Fünf Bücher der sogenannten Geralt-Saga hat Sapkowski bislang veröffentlicht, plus zwei Kurzgeschichten-Sammlungen, die die Vorgeschichte des Hexers erzählen. Genau an diesen beiden Büchern orientiert sich die erste Staffel der hochwertig produzierten Netflix-Serie. „The Witcher“ ist dabei nicht frei von Schwächen, da Showrunnerin Lauren Hissrich etwas mit der zusammenhanglosen Erzählstruktur der beiden Bücher zu kämpfen hat, legt jedoch einen hervorragenden Grundstein für eine Fantasy-Serie die definitiv das Potenzial hat, das neue „Game of Thrones“ zu werden.

 

Geralt von Riva. Der titelgebende Hexer ist ein Mutant, der es in der Gesellschaft schwer hat akzeptiert zu werden. Als Kind bestand Geralt seine Ausbildung und die für viele Jungen tödliche Kräuterprobe und wurde so zu einem Hexer. Als Hexer verdient er sein Geld mit dem Töten von Monstern, doch hinter der emotionslosen Fassade steckt weit mehr als nur ein eiskalter Killer. Wie bereits in den beiden Romanen „Der letzte Wunsch“ und „Das Schwert der Vorsehung“, sehen wir von diesem früheren Leben Geralts jedoch nichts. Die Handlung setzt ein, als Geralt schon ein erfahrener Monsterjäger ist und gemeinsam mit seinem Pferd Plötze durch die Welt zieht, immer auf der Suche nach Arbeit. Showrunnerin Lauren Hissrich hat sich dazu entschieden, die Kurzgeschichten relativ werksgetreu zu adaptieren. Für den Zuschauer heißt das, in jeder Episode sehen wir eine der Kurzgeschichten um Geralt. Das übergreifende Thema ist lediglich die „Vorsehung“ ansonsten mutet die Geralt-Storyline wie eine „Monster der Woche“-Erzählung an. Das ist normalerweise nicht meine favorisierte Erzählform,  der Serie gelingt die Umsetzung der einzelnen, meist zusammenhanglosen Kurzgeschichten, jedoch sehr gut. Mit einer großen Ausnahme: Die Kurzgeschichte um Filavandrel in der zweiten Episode ist ein Griff ins Klo. Zum einen gelingt es Hissrich nicht die Handlung der Kurzgeschichte vernünftig zu erzählen, zum anderen sieht die CGI-Maske des „Teufels“ unglaublich schlecht aus. In einer späteren Episode gibt es einen weiteren Charakter mit einem CGI-Gesicht, der jedoch deutlich besser und glaubwürdiger aussieht. So wirkt Episode 2 doch sehr trashig und fällt dadurch hinter den anderen Episoden zurück. Insgesamt sind die Adaptionen aber gelungen und die Unterschiede zur Romanvorlage sind zwar vorhanden, fügen sich jedoch gut ins Gesamtbild ein. Lediglich Zuschauer die mit der Vorlage nicht vertraut sind, könnten ein ums andere mal verwirrt sein. Vom exzessiven Name-Dropping in den ersten Episoden, bis hin zur zeitlichen Einordnung des Geschehens, warten einige Hürden auf die neuen Zuschauer. Geralts Kurzgeschichten sind nunmal unchronologisch erzählt, in der ersten Episode beispielsweise brennt Cintra und in der vierten Episode gibt es eine Rückblende was zwölf Jahre zuvor in Cintra geschehen ist. Hier werden viele Zuschauer eine Erklärung der zeitlichen Einordnung vermissen.

Yennefer von Vengerberg. In der Romanreihe erfährt der Leser lediglich einige Eckdaten zur Vergangenheit der mächtigen Zauberin. Das ändert sich mit Netflix-Serie, denn Yennefer bekommt nun erstmals eine richtige Vorgeschichte, in der sie sich von einem schikanierten und entstellten Mädchen, zur der starken und selbstbewussten Frau entwickelt, wie sie alle „Witcher“-Fans kennen gelernt haben.  Im Videospiel war Yennefer mein absoluter Lieblingscharakter. Einer der stärksten weiblichen Charaktere die mir jemals zu Gesicht gekommen ist, ist eine komplizierte Frau die vor nichts und niemandem zurückschreckt und der jedes Mittel recht ist um zu bekommen was sie will. Yennefer ist der Inbegriff einer Femme Fatale, umso besorgter war ich anfangs, was die Besetzung mit Anya Chalotra anging. Die 23-jährige sah im Promo-Material etwas zu nett und rehäugig aus um die knallharte Yennefer zu porträtieren. In der Serie verfliegen diese Zweifel jedoch schnell. Auch dank ihrer bewegenden Vorgeschichte wirkt Yennefer in der Serie ohnehin sympathischer und wird insgesamt etwas gemäßigter porträtiert, immerhin waren im Videospiel nicht alle Fans ihres schwierigen Charakters. Dennoch behält Yennefer auch in der Serien-Adaption ihren faszinierenden Charakter bei. Anders als bei Geralt wird ihre Geschichte chronologisch erzählt, ehe sie in der fünften Episode erstmals auf den Hexer trifft. Dabei schreitet ihr Storyline unglaublich schnell voran. Teilweise vergehen Wochen und sogar Jahre zwischen zwei Episoden und ihr schneller Werdegang vom unsicheren Mauerblümchen zur taffen Powerfrau könnte bei Nicht-Kennern der Vorlage durchaus Fragezeichen hervorrufen. Trotzdem steht Yennefer Geralt in nichts nach, da auch ihre Geschichte absolut großartig ist.

Prinzessin Cirilla von Cintra. Die Geschichte um das Mädchen Ciri ist von den drei Storylines sicherlich die schwächste. Mit ihrer Vorgeschichte hat Lauren Hissrich am meisten zu kämpfen. Während Geralt insgesamt acht Kurzgeschichten aus der Vorlage erlebt und Yennefers Geschichte teils riesige Sprünge macht, tritt Ciri etwas auf der Stelle. Ihre Handlung erstreckt sich über die letzten beiden Kurzgeschichten aus „Das Schwert der Vorsehung“, vom Angriff auf ihre Heimat Cintra, bis hin zu ihrem ersten Treffen mit Geralt. Hier finden sich auch die meisten Änderungen gegenüber der Vorlage wieder. Einige Momente werden erweitert, andere dazu gedacht. Insgesamt hinterlässt die Geschichte um Ciri keineswegs einen schlechten Eindruck, doch die Prinzessin muss sich klar hinter Geralt und Yennefer einsortieren was die Spannung und die Sympathiewerte anbelangt. Mit dem Start der zweiten  Staffel wird sie hoffentlich am ehesten von der zusammenhängenden Handlung der Hauptreihe profitieren, denn bei Ciri besteht definitiv noch Luft nach oben.

Die Schauspieler liefern jedoch ein starkes Debüt ab. Henry Cavill war einigen Fans der Videospiele zwar ein Dorn im Auge, doch der „Superman“-Darsteller gibt erwartungsgemäß einen großartigen Geralt ab. Cavill der selbst großer Fan der Videospiele ist und alle Bücher gelesen hat, war früh in den Entstehungsprozess der Serie involviert und die Rolle als grimmiger Geralt geht ihm schnell in Fleisch und Blut über. Er ist das Aushängeschild dieser Serie und ich bin mir sicher, einen besseren Geralt-Darsteller hätten die Verantwortlichen nicht finden können! Aber auch seine beiden noch unbekannten Kolleginnen machen eine starke Figur. Anya Chalotra überzeugt sowohl in den Momenten in denen Yennefer noch eine gebrochene junge Frau ist, als auch in den selbstbewussten, verführerischen Szenen als Yennefer. Es werden durchaus Erinnerungen an Emilia Clarke wach, die in "Game of Thrones“ eine ähnliche Entwicklung hingelegt hat. Dazu zeigt Chalotra auch eine Menge Körpereinsatz, denn auf Sexszenen muss der Zuschauer auch bei dieser Fantasy-Serie nicht verzichten. Ein gewisses Einhorn ist aber leider noch nicht dabei. Mit der 18-jährigen Freya Allan hat man Ciri derweil etwas älter gemacht als noch im Buch. Dort ist die junge Prinzessin bei ihrem ersten Treffen mit Geralt gerade einmal zehn Jahre alt, hier in der Serie dürften es ca. zwölf Jahre sein. Die sechs Jahre Altersunterschied sieht man Allan jedoch nicht wirklich an und sie passt nicht nur dank ihres fast elfischen Gesichts und der großen blauen Augen optisch zur Figur, sondern spielt insgesamt überzeugend auf, auch wenn ihr Charakter nicht ganz so scheinen kann wie die anderen beiden.

Bei den Nebendarstellern muss ich zunächst einmal ein großes Lob an die Besetzung von Rittersporn aussprechen. Joey Batey ist eine hervorragende Wahl für den extravaganten Charakter, der nicht nur den Witz aus der Vorlage und dem Videospiel in die ansonsten bierernste Serie bringt, sondern auch ein ausgezeichneter Sänger ist. Sein Song „Toss a Coin to a Witcher“ hat bei mir jedenfalls schon für einen Ohrwurm gesorgt. Etwas anders sieht es bei Triss Merigold aus. Alle Fans der Videospiele müssen sich doch sehr umgewöhnen, denn anstatt der blassen Rothaarigen Zauberin, erwartet uns mit Anna Shaffer eine Darstellerin mit braunem Haar und dunklerem Teint. Auch wenn das Vorlagengetreu ist: Mir hat der große optische Unterschied im Vergleich zu Yennefer schon in den Videospielen sehr gefallen, doch das kann man der Serie freilich nicht vorwerfen. Das Triss überhaupt auftaucht ist schon ungewöhnlich, denn in den beiden Büchern wird ihr Name lediglich erwähnt, einen Auftritt hat sie dort jedoch noch nicht. Der beliebte Charakter hinterlässt einen etwas blassen Eindruck, auch hier kann sich „The Witcher“ also noch steigern. Ansonsten spielen die unzähligen Nebendarsteller solide auf, jeden aufzuzählen würde jedoch sämtlichen Rahmen sprengen.

Visuell leistet sich die Serie den einen groben Schnitzer um die CGI-Maske in Episode 2. Ansonsten überzeugt „The Witcher“ mit einer hochwertigen Ausstattung, die viel belächelten Hodensack-Rüstungen der Nilfgaardischen Armee fallen in der Serie nicht mehr negativ auf, und gelungenen Effekten. Gerade die zahlreichen Monster stechen dabei ins Auge, die (fast) durch die Bank weg klasse aussehen. Natürlich wird in „The Witcher“ mehr auf CGI zurückgegriffen als beispielsweise bei „Game of Thrones“, schlicht und ergreifend weil die Fantasy-Welt von „The Witcher“ deutlich vielfältiger ausfällt. Dennoch sollte man die Tageslicht-Szenen so gut es geht minimieren, denn im Dunkeln sieht „The Witcher“ deutlich besser aus. Beim Soundtrack greift man derweil nicht auf ein klassisches Orchester zurück, sondern reichert den exzellenten Soundtrack mit zahlreichen slawischen Einflüssen an. Wie bereits im Videospiel ist die Musik eines der großen Highlights und sorgt immer wieder für Gänsehaut. Zu guter Letzt dürfen sich Fans auf jede Menge Action freuen. In der ersten Episode geht man direkt All-In und versucht die Zuschauer mit einer Schlacht zu beeindrucken. Natürlich reicht diese nicht an die „Schlacht der Bastarde“ heran, dennoch überzeugen sämtliche große Actionszenen vollends. Noch besser sind lediglich die Kampfszenen des Hexers. Henry Cavill  schaltet in den Tom Cruise-Modus und macht alle Stunts selber. Seine Schwertkampf-Skills sind beeindruckend und die fantastisch choreografierten Schwertkampfszenen sind ein echter Hingucker. Insbesondere der spektakuläre Kampf gegen die Striege in Episode 3 gilt es besonders hervorzuheben. Dazu verzichtet „The Witcher“ auch nicht auf eine explizite Gewaltdarstellung, die die Kämpfe noch blutiger und dreckiger macht. Zimperlich war der Hexer nunmal noch nie.

 

Fazit

Ein mehr als gelungener Einstand für den Hexer! Obwohl die Netflix-Serie etwas mit der zusammenhanglosen Erzählstruktur der beiden Kurzgeschichten-Sammlungen „Der letzte Wunsch“ und „Das Schwert der Vorsehung“ zu kämpfen hat, liefert Showrunnerin Lauren Hissrich eine beeindruckende Adaption der Vorlage ab. „The Witcher“ ist voller großartiger Kampfszenen, zahlreichen Gänsehaut-Momenten und exzellenten Charakteren. Gerade Geralt (Henry Cavill ist großartig!) und Yennefer wissen vollends zu überzeugen, lediglich bei Ciri besteht noch Luft nach oben. Auch dürfte die Serie viele Zuschauer die die Vorlage noch nicht kennen verwirren, da gerade die zeitliche Einordnung des Geschehens nicht immer klar hervorgehoben wird. Insgesamt gelingt „The Witcher“ aber eine starke Auftaktstaffel, die das Potenzial hat mit dem Beginn der Hauptreihe in Staffel 2 ganz groß zu werden. 

 

8/10


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Poster&Trailer: © Netflix