The Boys - Staffel 1

Staffelstart: 26.07.2019 | Anbieter: Prime Video | Episoden: 8 | FSK: 18 | Land: USA | Genre: Action, Komödie, Krimi | Originaltitel: The Boys


Kritik

Wie lange wartet Amazon nun schon auf einen echten Serien-Hit? "The Marvelous Mrs. Maisel" gewann zwar viele Preise, hat es aber schwer bei der breiten Masse Gehör zu finden. Andere vielversprechende Amazon Originals wie "American Gods" oder "The Man in the High Castle" haben wiederum viele Zuschauer enttäuscht. Gerade im Vergleich mit den Serien-Königen von Netflix und HBO, muss sich Amazon doch deutlich hinter seinen Konkurrenten einordnen. Doch Jeff Bezos Konzern bläst zum Angriff und lässt noch ehe die über eine Milliarde Dollar teure "Der Herr der Ringe"-Serie an den Start geht, seine Antihelden von der Leine. Basierend auf den gleichnamigen Comics von "Preacher"-Schöpfer Garth Ennis, schickt Amazon die von vielen als "brutale Avengers" betitelten Helden von "The Boys" ins Rennen. "The Boys" ist dabei die x-te Superheldenserie, kann dem omnipräsenten Genre dennoch einiges neues abgewinnen. Trotzdem hat die Serie bei mir nicht so gezündet wie beim restlichen Publikum, die "The Boys" mit Lob überhäufen.

 

Denkt man an brutale Antihelden, dürfte den meisten wohl "Deadpool" und "Watchmen" als erstes einfallen. Tatsächlich fühlt sich "The Boys" durchaus wie eine Mischung der beiden an. Von den "Watchmen" nimmt man all die bösen und verwerflichen Seiten der Helden und garniert sie mit dem schwarzen Humor eines "Deadpool". Eine Mischung die insgesamt sehr gut funktioniert. Der bitterböse Humor zündet an den meisten Stellen, ohne "The Boys" dadurch ins Lächerliche abdriften zu lassen, dafür bringt Showrunner Eric Kripke genug Ernsthaftigkeit mit in die Story. Auch mit dem hohen Gewaltgrad haben es die Macher nicht übertrieben. Zwar hat man in vielen Szenen nicht am Kunstblut bzw. am CGI-Blut gespart, richtig eklig ist jedoch keine der Szenen. Da wurde im Vorfeld wieder aus einer Mücke einen Elefanten gemacht, denn da war "Watchmen", beispielsweise in der Gefängnisszene als Rohrschach mit der Kreissäge die Arme seines Angreifers durchtrennte, deutlich härter. Auch die derben Schmuddelwitze der Vorlage wurden für die Amazon-Serie entschärft. Eine Szene in der Homelander auf einem Hochhaus über New York ejakuliert wurde zwar gedreht, von Amazon jedoch abgelehnt. Eine Ausnahme gibt es dann aber doch: Die beeindruckende Zeitlupen-Szene in der ersten Episode, in der Superheld A-Train durch die Freundin des Hauptcharakters Hughie läuft und sie in der Luft zerfetzt. In dieser Szene und in vielen weiteren zeigt sich übrigens auch die hohe Produktionsqualität der Serie. Amazon hat "The Boys" wohl einen ordentlichen Vertrauensvorschuss gegeben, denn effektreiche Action-Szenen sind zwar rar gesät, wenn sie kommen, dann sehen sie technisch gesehen aber einfach richtig gut aus. 

Eines ist jedoch klar: "The Boys" ist nichts für zimperliche Zuschauer und hat sich seine FSK 18-Freigabe trotz allem redlich verdient. Die Serie ist nämlich immer dann am stärksten wenn es so richtig verwerflich wird. Ob da The Deep seine Machtposition gegenüber Neuling Starlight ausnutzt (#MeToo) oder ob Homelander absichtlich ein Flugzeug mit über 100 Menschen an Bord abstürzen lässt, "The Boys" demonstriert die Skrupellosigkeit der "Seven" immer wieder aufs neue. Diese werden in der Öffentlichkeit zwar als Berühmtheiten gefeiert und pflegen ein dauerlächelndes Saubermann-Image, doch tatsächlich missbrauchen die Superhelden ihre Macht und tote Menschen sind für sie nur Kollateralschäden. Während viele Zuschauer dabei von der ersten Episode an begeistert waren, hat "The Boys" bei mir erst ein wenig Anlaufzeit benötigt. Die Einführung der Charaktere war mir persönlich zu chaotisch und erst ab der dritten oder vierten Episode hat mich die Serie gepackt. Dann findet "The Boys" mit dem zentralen Konflikt der beiden Gruppen allmählich seinen Fokus. 

Schade dass die "Seven" derweil sehr unterschiedlich behandelt werden. Im Fokus der Handlung steht Neuling Starlight (Erin Moriarty), die dem Zuschauer nicht nur als Bezugsperson dient sondern auch ein echter Sympathieträger ist. Gerade in den gemeinsamen Szenen mit Hughie, versprühen die beiden eine mehr als gelungene Chemie. Neben Starlight steht der Anführer Homelander, eine Mischung aus Superman und Captain America, im Fokus. Der Anführer ist natürlich der skrupelloseste von allen und Darsteller Antony Starr verleiht dem Hauptbösewicht eine starke Präsenz. Auch Elisabeth Shue überzeugt als verachtenswerte Leiterin der Truppe, deren Aufgabe es ist die Superhelden zu inszenieren und zu vermarkten, um mit der perfekten Marketingstrategie möglichst hohe Gewinne für den Großkonzern Vought zu erzielen, der wirtschaftliche Interessen klar über die Rettung von Menschenleben stellt. Ein insgesamt starker Aspekt der Handlung von "The Boys", der mir mit am besten gefallen hat. Auch die Drogengeschichte um "Quicksilver"-Pendant A-Train weiß noch zu überzeugen, dahinter wird es dann aber eng. Translucent ist nur kurz zu "sehen", über Black Noir lernt man nichts außer dass er gerne Klavier spielt, "Wonder Woman"-Verschnitt Queen Mave bekommt lediglich eine kurze und sehr oberflächliche Hintergrundgeschichte um eine Ex-Freundin und mit The Deep wissen die Macher nach der starken Einführung kaum noch etwas anzufangen. Die fehlende Charakterisierung der Helden ist ein großes Problem und muss in der zweiten Staffel definitiv aufgegriffen werden. 

Bei den namensgebenden "The Boys", die gegen die Superhelden vorgehen, sieht es etwas besser aus. Jack Quaid hinterlässt als Hughie einen sympathischen Eindruck, der nach dem Mord an seiner Freundin auf Rache sinnt. Es ist aber vor allem der herausragende Karl Urban, der seinem supercoolen Charakter Butcher eine unvergleichliche Aura verleiht. Den "Herr der Ringe"-Star hat man selten besser gesehen als hier. Die Story um Frenchie und die mysteriöse The Female ist ebenfalls gelungen, nur Mother's Milk fällt deutlich hinter den anderen "Boys" zurück. Darüber hinaus gibt es noch den einen oder anderen Cameo-Auftritt bekannter Schauspieler. Simon Pegg ist in einer gar nicht so kleinen Nebenrolle als Hughies Vater zu sehen und "The Sixth Sense"-Kind Haley Joel Osment, darf ebenfalls einen gelungenen Gastauftitt absolvieren.

 

Fazit

Der ganz große Wurf ist Amazon mit "The Boys" leider nicht gelungen. Ich habe zwar eine Schwäche für brutale Antihelden, immerhin gehört "Watchmen" bis heute zu meinen Lieblings-Comicverfilmungen, die Klasse von Zack Snyders Werk erreicht "The Boys" jedoch zu keiner Zeit. Dafür bleibt mir die Charakterisierung der Helden zu oberflächlich und die Serie benötigt zwei bis drei Episoden Anlaufzeit, ehe mich die Story überzeugen konnte. Danach war "The Boys" jedoch ein großer Spaß. Die Amazon-Serie bringt frischen Wind in das omnipräsente Superhelden-Genre und überzeugt mit seiner Brutalität, dem derben Humor und seinen verwerflichen Anti-Helden. Insgesamt eine gute und sehenswerte erste Staffel, die mich zwar nicht vollends begeistern konnte, aber definitiv Lust auf mehr macht.

 

7/10


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Poster&Trailer: © Amazon