The Look of Silence

Story

Über eine Million Menschenleben haben die grausamen Massaker gefordert, zu denen es zwischen 1965 und 1966 in Indonesien kam. Noch heute werden dort die rücksichtslosen Handlanger, die zahlreiche Leben ausradierten, wie Helden gefeiert. Sie haben im Namen der Regierung als Paramilitärs Jagd auf vermeintliche Kommunisten gemacht. Die Blutspur führt Regisseur Joshua Oppenheimer zu einem Ehepaar, dessen ältester Sohn den Paramilitärs zum Opfer gefallen ist und von dessen Tod sich die Eltern nie erholt haben. Der Bruder des Ermordeten, Adi, sucht die Menschen auf, die den Mord verschuldet haben. Dabei trifft er auf Menschen, die für ihre Taten nie zur Rechenschaft gezogen wurden und sich sogar mit diesen brüsten. Sie wohnen nicht weit weg von Adi, gehen in denselben Läden einkaufen. Durch seinen Beruf als Optiker kommt der Hinterbliebene mit den Mördern ins Gespräch und erfährt bis ins Detail, was seinem Bruder damals zugestoßen ist…


Kritik

Es war einer der größten Aufreger der Oscar-Verleihung 2014: Der maximal solide „20 Feet from Stardom“ (6/10) konnte sich gegen den großen Favoriten “The Act of Killing” in der Kategorie des besten Dokumentarfilmes durchsetzen. Die wichtige und aufwühlende Dokumentation über das noch heute nachhallende Trauma einer ganzen Nation, bekam leider nicht die Ehrung die er verdiente, dabei ist Joshua Oppenheimers Film eine Offenbarung, wenn auch eine kaum zu ertragende (9/10). Jetzt, zwei Jahre später findet die Fortsetzung ihren Weg in die Kinos. Während „The Act of Killing“ die Ereignisse, im Indonesien der Sechziger Jahre, aus Sicht der Täter beleuchtete, kümmert sich „The Look of Silence“ nun um die Opfer. Herausgekommen ist einer der besten Filme des Jahres, der seinem schockierenden Vorgänger in nichts nachsteht!

The Look of Silence

Kinostart: 01.10.2015

Länge: 99 Min.

FSK: 12

Genre: Dokumentation

Regie: Joshua Oppenheimer

Land: Dänemark, Indonesien, Norwegen, Finnland, Großbritannien


Man stelle sich einmal vor die Nazis wären nach dem Fall des dritten Reiches nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Nach dem Genozid an Millionen Juden und anderen Unschuldigen, hätten sie einfach unbescholten weitergelebt und wären für ihre Taten sogar als Helden gefeiert worden. Heute würden sie dann unter uns Leben, zwischen den jüdischen Familien deren Familienangehörigen einst ihre Opfer waren. Klingt unvorstellbar? Doch genau das ist in Indonesien bittere Realität. Die Massenmörder von einst sind dort noch immer an der Macht und von den Nachbarn die einst ihre Angehörigen verloren, werden sie gefürchtet. Das ganze Land hat die Geschehnisse verdrängt, die Hinterbliebenen trauern in Stille, aus Angst vor den Tätern. Diese sind oftmals reich und lassen sich selbst im TV als Helden feiern, während in der Schule die Propaganda-Maschine weiterläuft.

Es sind kaum vorstellbare Verhältnisse in Indonesien die Oppenheimer so schonungslos aufdeckt. Dabei wählt er erneut einen ebenso raffinierten wie intelligenten Weg um die Täter zu entlarven. Entstand „The Act of Killing“ noch unter dem Vorwand die Täter sollen ihre Taten von damals nachstellen und aus ihnen einen Film drehen, was sie dann auch mit größter Hingabe taten, wird hier eines der Opfer zu den Tätern geschickt: Der furchtlose Adi. Der 44-jährige Optiker hat damals seinen Bruder verloren und befragt jetzt die Täter. Den sehr klugen und präzisen Fragen von Adi sei Dank, konnten die schrecklichen Ereignisse wieder ans Licht gebracht werden.

Und diese Dialoge bilden das Herzstück von „The Look of Silence“. Die Täter erzählen ohne Skrupel von ihren Gräueltaten. Unterfüttert wird dies durch Bilder in denen die Täter an die Orte der Massaker gingen um dort ihre Taten nochmal nachzustellen. Auch wenn alles nur im Kopf des Zuschauers stattfindet, sind es diese Dialoge und die Art und Weise wie die Täter über die Massaker sprechen, die fassungslos machen. Spätestens wenn die Täter schildern wie sie das Blut ihrer Opfer tranken, wird die Dokumentation unerträglich.

Wenn „The Look of Silence“ eines zeigt, dann wie sehr ein ganzes Land die Ereignisse in den Sechzigern totgeschwiegen und verdrängt hat. Dabei beweisen sowohl Adi als auch Oppenheimer und seine Crew jede Menge Mut, denn zum Ende eines jeden Interviews werden sie alles andere als unterschwellig bedroht, wenn sich die Täter entlarvt und angegriffen fühlen. Die Seite der Opfer hat in der von den Tätern geschürten Tyrannei der Angst, auch 50 Jahre nach den Ereignissen keine Chance. Bezeichnend, das im Abspann mehr als die Hälfte der Crew, aus Angst ermordet zu werden, nur als „Anonymus“ im Abspann erscheint!

 

Fazit

Joshua Oppenheimers Talent solch grausame Geschichten aufzudecken und zu erzählen scheint grenzenlos zu sein. „The Look of Silence“ steht seinem gefeierten Vorgänger „The Act of Killing“ in nichts nach. Er ist aufwühlend, schockierend und über weite Strecken kaum zu ertragen. Oppenheimer gelingt mit seinen beiden Filmen ein unglaubliches Portrait einer Gesellschaft, das schonungslos deren pervertierte Selbst- und Geschichtswahrnehmung offenlegt. Ermöglicht wird dies durch einen faszinierenden Hauptdarsteller und einen fantastischen Joshua Oppenheimer der spätestens jetzt den Oscar verdient hat. Am Ende der 99 traurig stimmenden Minuten, bleibt ein moralisch komplexes Meistwerk im Gedächtnis, denn „The Look of Silence“ ist einer der besten Filme des Jahres und zugleich der wichtigste!

 

Wertung: 9/10


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Poster&Trailer: © Koch Media/Neue Visionen

Story: Quelle: Filmstarts.de