Killers of the Flower Moon

Kino: 19.10.2023 | Laufzeit: 206 Minuten | FSK: 12 Land: USA | Genre: Drama, Western


Kritik

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nach Netflix mit Apple nun schon der zweite Streaming-Anbieter in Folge das neue Kino-Epos von Regie-Legende Martin Scorsese finanziert. Nach dem Mafia-Abgesang „The Irishman“ steht nun also das True-Crime-Drama „Killers of the Flower Moon“ an, mit dem sich Apple ein großes Prestigeprojekt sichern konnte. Natürlich macht man aufgrund des absurd hohen Produktionsbudgets von 200 Millionen Dollar keinen Gewinn an den Kinokassen, immerhin hat der Film nach drei Wochen erst 120 Millionen Dollar wieder eingespielt, was normalerweise einen kolossalen Flop bedeuten würde. Für den noch immer unter dem Radar schwebenden Streamingdienst Apple TV+, wo der Film nach dem Kinofenster veröffentlicht wird, könnte sich die Investition trotzdem lohnen. Denn für „Killers of the Flower Moon“ vereint Martin Scorsese erstmals seine beiden Musen in einem Spielfilm: Leonardo DiCaprio, der seinen sechsten Film mit dem Regisseur dreht, und Robert De Niro, für den es schon die zehnte Kollaboration mit Scorsese ist. Und diese Zusammenarbeit kann sich erwartungsgemäß sehen lassen, obwohl „Killers of the Flower Moon“ die eine oder andere Drehbuchschwäche besitzt.

 

Die Geschichte des Films basiert auf wahren Begebenheiten, die im Sachbuch „Killers of the Flower Moon: The Osage Murders and the Birth of the FBI“ von „Die versunkene Stadt Z“-Autor David Grann geschildert werden. Darin erzählt er von den Ermittlungen des neu ins Leben gerufenen FBI, das in den 1920er-Jahren die Ermordungen zahlreicher Mitglieder des Osage-Stammes untersuchte, die auf einem wertvollen Land mit vielen Ölvorkommen saßen. Während in der Vorlage zunächst die Geschichte von Lily Gladstones Osage-Charakter Mollie erzählt wird und danach die Ermittlungen von Jesse Plemons' FBI-Charakter Tom White im Fokus stehen, wählen Scorsese und „Dune“-Drehbuchautor Eric Roth eine andere Perspektive. „After a certain point, I realized I was making a movie about all the white guys,“ erklärte Scorsese dazu in einem Interview. „Meaning I was taking the approach from the outside in, which concerned me.“ Stattdessen stellt das FBI nun lediglich eine Randnotiz dar und die Geschichte fokussiert sich auf die Sicht der Täter und der Opfer. Weswegen Leonardo DiCaprio seine ursprüngliche Rolle als Ermittler an Jesse Plemons abgab, um stattdessen den Kriegsveteran Ernest Burkhardt zu verkörpern, der nach Anweisung seines hinterlistigen Onkels William Hale (Robert DeNiro) die Osage-Frau Mollie heiratet, um langfristig an ihr Vermögen zu kommen.

Während ich die Beweggründe von Scorsese verstehen kann, halte ich die Änderung der Perspektive dennoch für einen Fehler. Denn während aus der Identität des Täters im Buch ein großes Geheimnis gemacht wird und in einem regelrechten Twist aufgedeckt wird, spielen Scorsese und Roth hier von Anfang an mit offenen Karten. Dadurch geht der Handlung viel Spannung verloren, die eine Murder Mystery ansonsten reingebracht hätte. Dafür macht das Schicksal der Osage-Mitglieder sehr betroffen, die von Weißen umgeben sind, die wie Fliegen vom Licht vom Geld der Osage angezogen werden und sie heiraten oder gleich ermorden, um an ihr Geld zu kommen. Diese niederschmetternde Geschichte ist definitiv das Prunkstück des Films, da sie wütend macht und mir Lily Gladstones Figur sehr leidtat. Allerdings kann das Drehbuch durch die beschränkte Sichtweise die komplette Tragweite sowie die Hintergründe des Geschehens nicht immer klar machen und „Killers of the Flower Moon“ kann der Komplexität des Stoffes nicht ganz gerecht werden. Dazu wünscht man sich am Ende der ausgiebigen 206 Minuten eine finale Eskalation oder einen emotionalen Ausbruch, der nach all der Unterdrückung so verdient gewesen wäre. Diese Hoffnung bleibt jedoch unerfüllt, stattdessen fühlt sich der letzte Akt mehr wie eine Pflichterfüllung an, da die Fakten der dann erst startenden Ermittlungen und Gerichtsverfahren dem Publikum bereits bekannt sind. Lediglich in der letzten Szene bricht Scorsese mit einem interessanten erzählerischen Kniff aus dieser Lethargie noch mal aus, auch wenn das Ende mit dem Gastauftritt des Regisseurs schon etwas plakativ wirkt.

Es kommt durchaus unerwartet, dass mich hauptsächlich die Schwächen beim Drehbuch gestört haben und nicht die im Vorfeld viel diskutierte Laufzeit von 206 Minuten. Natürlich hätte Scorsese die Geschichte auch locker in einer halben Stunde weniger erzählen können, gelangweilt habe ich mich aber zu keiner Sekunde im ruhig und unaufgeregt erzählten Epos. Dafür sorgt in erster Linie das fantastische Ensemble, das von einem großartig-ambivalenten Leonardo DiCaprio angeführt wird, der meiner Meinung nach den besten Eindruck hinterlässt. Aber auch Kritiker-Favoritin Lily Gladstone brilliert in ihrer bewegenden Rolle, während Robert De Niro zwar ebenfalls stark aufspielt, allerdings unter seinem eindimensionalen Charakter zu leiden hat. Viel diskutiert wird derweil der kurze Auftritt des frischgebackenen Oscarpreisträgers Brendan Fraser, dem viele Overacting vorwerfen. Tatsächlich ist seine erste Szene als exzentrischer Anwalt zunächst befremdlich, da er nach knapp drei Stunden voller ruhiger und zurückhaltender Charaktere mit seinem lauten Organ erst mal wie die Axt im Walde wirkt. Das würde ich aber eher der herausstechenden Figur und nicht dem schlechten Schauspiel von Fraser zuordnen. 

Und dann müssen wir natürlich noch über die Inszenierung von Martin Scorsese selbst sprechen. Und wie erwartet gibt es da rein gar nichts zu beanstanden. Die Regie-Legende kreiert große und beeindruckende Bilder, die einer Kinoleinwand mehr als würdig sind und sorgt mit seiner kraftvollen Inszenierung für ein beeindruckendes Epos. Lediglich das Budget sorgt für Stirnrunzeln, denn trotz eines Autorennens und vielen hochwertigen Sets darf man sich schon fragen, wohin die 200 Millionen Dollar eigentlich geflossen sind.

 

Fazit

„Killers of the Flower Moon“ ist mit seiner epischen Länge und großen Bildern ein beeindruckendes Kino-Epos geworden. Regie-Legende Martin Scorsese sorgt mit seiner ruhigen, aber ungemein kraftvollen Inszenierung für ein niederschmetterndes und wütend machendes Werk. Dazu kann er sich auf seine bestens aufgelegten Musen Leonardo DiCaprio und Robert De Niro sowie auf eine brillante Lily Gladstone verlassen. Zwar hätten sich Scorsese und sein Drehbuchautor Eric Roth auch kürzer halten können, anders als im Vorfeld vermutet, hat sich die ausufernde Laufzeit von 206 Minuten aber nicht zu lange angefühlt. Stattdessen habe ich mit dem Drehbuch meine Probleme, dass der Komplexität des Stoffes nicht ganz gerecht wird und die Hintergründe und Tragweite der wahren Ereignissen nicht immer klar macht. Dazu halte ich den Perspektivwechsel im Gegensatz zur Buchvorlage für einen Fehler, da Scorsese und Roth von Anfang an mit offenen Karten spielen, wodurch Spannung verloren geht und der letzte Akt eher wie eine Pflichterfüllung wirkt. Trotz eines interessanten, aber auch etwas plakativen erzählerischen Kniffs in der letzten Szene fehlt mir am Ende noch eine finale Eskalation oder ein emotionaler Ausbruch, der sich nach all der Unterdrückung so verdient angefühlt hätte. Deswegen schafft es „Killers of the Flower Moon“ auch nicht, sich zu „Oppenheimer“ und Konsorten auf meine Jahresbestenliste zu setzen. Ein richtig guter und sehr sehenswerter Film ist das True-Crime-Epos von Martin Scorsese trotzdem geworden.

 

7/10


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Poster&Trailer: © Apple TV