AC Valhalla im Test - Lahmes Wikinger-Epos

Assassin's Creed Valhalla © Ubisoft
Assassin's Creed Valhalla © Ubisoft

Einst konnten sich Assassinen-Fans sicher sein, jedes Jahr einen neuen Ableger der "Assassin's Creed"-Reihe serviert zu bekommen. Doch im Jahr 2015 war mit "Syndicate" der Tiefpunkt der Action-Adventure-Reihe erreicht und es war an der Zeit für Ubisoft eine seiner erfolgreichsten Marken neu zu erfinden. Mit "Origins" erschien zwei Jahre später ein in puncto Gameplay und Spielmechaniken überarbeitetes Spiel, dass sich zudem als waschechtes Rollenspiel entpuppte. Das Soft-Reboot im alten Ägypten und der 2018 veröffentlichte Nachfolger "Odyssey" im antiken Griechenland waren im Kern zwar gute Spiele, als "Assassin's Creed"-Veteran wurde ich jedoch nie ganz mit ihnen warm (beide 7/10). Dafür hatten sie mit ihrer gigantischen Größe, den überfrachteten Open-Worlds und einer regelrechten Loot-Orgie einfach mit zu vielen Problemen zu kämpfen. Zwei Jahre danach soll der elfte Teil der Reihe, "Assassin's Creed Valhalla", nun das Beste aus beiden Welten vereinen und damit alle Assassinen-Fans zufriedenstellen. Ein Vorhaben, dass jedoch überhaupt nicht aufgehen will, denn "Valhalla" hat meine ohnehin nicht allzu großen Erwartungen sogar noch enttäuscht und Ubisoft liefert mit dem lahmen Wikinger-Epos eines der schlechtesten Spiele der Reihe ab.

Die weibliche Variante von Eivor
Die weibliche Variante von Eivor

Die Story: Anfangs hui, am Ende pfui

Doch der Reihe nach: Die Story von "Valhalla" setzt im 9. Jahrhundert ein, der Zeit der großen Wikinger-Raubzüge durch England. Der Spieler schlüpft dabei in die Haut von Eivor, wahlweise männlich oder weiblich, die im sehr sehenswerten Prolog dabei zusehen muss wie ihre Eltern getötet werden. Wer dann eine klassische Rache-Story erwartet, wird jedoch überrascht werden, denn bereits einen Zeitsprung später bekommt Eivor ihre Rache. Nach dem kurzen Einstieg in Norwegen bricht die Schildmaid auch gleich mit ihrem Bruder Sigurd nach England auf, um auf den Spuren von Ragnar Lothbrok eine neue Heimat zu finden. Von der Siedlung aus bereist sie ganz England auf der Suche nach Verbündeten um... ja um was eigentlich? Ein großes Problem von "Valhalla" ist nämlich das Fehlen einer großen Motivation für die Hauptfigur. In "Origins" wollten Bayek und seine Frau den Mörder ihres Kindes aufspüren, in "Odyssey" suchte Kassandra nach einer dramatischen Trennung ihre Eltern. In "Valhalla" fehlt ein solches Leitmotiv, was es mir als Spieler später wahnsinnig schwer gemacht hat überhaupt am Ball zu bleiben.

Der Anfang des Spiels ist nämlich zunächst noch vielversprechend. Der Prolog in Norwegen ist gelungen und auch die ersten Schritte in England machen viel Spaß. Angekommen in England gründen Eivor und Sigurd ihre eigene Siedlung, die für den Spieler gewissermaßen als Hub dient. Die Siedlung lässt sich nämlich mit erbeuteten Rohstoffen ausbauen und wird somit immer mehr zu einem zuhause, inklusive vieler Charaktere die man das Spiel über kennen lernt. Beim Schmied lassen sich Waffen und Rüstungsteile verbessern, beim Tätowierer lässt sich das Aussehen von Eivor anpassen, während sich mit dem Haus der Seherin sogar ganz neue Regionen und Quests freischalten lassen. Von der Siedlung aus brechen wir wiederum in verschiedenen Regionen Englands auf. Unterschiedliche Regionen mit steigenden Leveln gab es zwar bereits in den Vorgängern, neu sind hingegen die sogenannten Sagen. Jede Region erzählt seine eigene, in sich abgeschlossene Geschichte, mit individuellen Charakteren die ab und an auch in späteren Sagen zurückkehren. Mal muss Eivor Streitigkeiten in einem Clan beilegen, mal einen König stürzen usw. Zu Beginn hat mir diese Aufteilung noch sehr gut gefallen, je länger das Spiel jedoch andauert, desto öder wurden die einzelnen Sagen. Denn letzten Endes laufen die Geschichten immer relativ ähnlich ab. Es ist fast immer irgendein (Möchtegern-) König involviert, die Geschichte schickt mich einmal kreuz und quer durch die neue Region und am Ende stürmt Eivor irgendeine Festung um dem Bösen den Garaus zu machen. Nach den ersten fünf oder sechs dieser Sagen fällt einem langsam auf, wie sehr sich die Kurzgeschichten doch wiederholen. Schwierig wird das dadurch, dass "Valhalla" aus knapp 20 (!) dieser Sagen besteht. Die Hälfte des Inhalts hätte es auch getan und so leidet auch "Valhalla" wieder darunter, wie bereits der Vorgänger "Odyssey" und mit Abstrichen auch "Origins", ein gigantisches Spiel sein zu müssen. 

Durch die fehlende Motivation von Eivor, den immer gleichen Sagen und der schieren Größe des Abenteuers, hat sich bei mir ab der 30 Stunden Marke eine große Langeweile breit gemacht. Nach 40h und etwas mehr über der Hälfte des Spiels, habe ich "Valhalla" dann sogar abgebrochen! Auch "Odyssey" war oftmals frustrierend, dort hatte ich jedoch stets die Motivation das Spiel fortzusetzen, auch weil ich unbedingt wissen wollte wie die Geschichte von Kassandra ausgeht. Diese Motivation liefert "Valhalla" jedoch nicht, auch weil das Spiel viel zu lange dauert in Relation zur Geschichte die das Spiel erzählt. Mein Problem mit Open-World-Spielen habe ich bereits an anderer Stelle ausführlich geschildert, ich bin auf jeden Fall keiner der allzu vielen Nebenbeschäftigungen nachgeht. Aus diesem Grund konnte ich "Origins" nach 32h und "Odyssey" nach 58h beenden. Bei "Valhalla" wären es am Ende ca. 75h geworden. Die Hoffnung "Valhalla" würde endlich wieder eine Nummer kleiner werden war also vergeblich, stattdessen ist das Open World-RPG sogar noch aufgeblähter als zuvor. 

Momente wie diese bleiben die Ausnahme
Momente wie diese bleiben die Ausnahme

Ein blasser Hauptcharakter

Dabei besitzt die Erzählung durchaus Potenzial. Viele Nebencharaktere erscheinen sympathisch und die Inszenierung macht immer wieder viel her. Großartig inszenierte Momente wir der Sturm einer Festung vor einem von Blitzen zuckenden Himmel bleiben jedoch die absolute Ausnahme. Vereinzelt können wir während der Story auch wieder Entscheidungen treffen, die Auswirkungen wurden gegenüber "Odyssey" jedoch drastisch reduziert. Im Grunde ändern die getroffenen Entscheidungen am Spielverlauf nicht viel, sondern sorgen nur für ein gutes oder schlechtes Ende. Sonderlich spannend sind die Sagen aber auch deswegen nicht, weil Eivor keine großen moralischen Fragen gestellt bekommt und das Spiel ihre meist brutale Vorgehensweise nie hinterfragt. Die Bösen sind einfach immer die anderen. Womit wir bei einem weiteren großen Problem von "Valhalla" wären: Dem Hauptcharakter. Ob man sich für den männlichen oder die weibliche Eivor entscheidet spielt letztlich keine Rolle, die Dialoge bleiben die gleichen. Im Kanon ist wohl die weibliche Eivor die Protagonistin, während der männliche Eivor in allen Promo-Materialien zu sehen war. Ubisoft traut sich also weiterhin nicht ein Spiel mit einem rein weiblichen Hauptcharakter zu veröffentlichen. Trotzdem ist die freie Auswahl über das Geschlecht keine schlechte Sache. Problematischer ist da schon die Charakterisierung von Eivor, die eigentlich kaum stattfindet. Eivor ist immer genau der Hauptcharakter den das Spiel gerade braucht und sie scheint nicht wirklich eine eigene Persönlichkeit zu besitzen. Das ging in der Vergangenheit aber schon besser, immerhin waren Bayek und Kassandra gelungene Protagonisten. Da helfen dann auch die steifen Gesichtsanimationen nicht weiter, die Eivor zusätzlich blass erscheinen lassen. 

Natürlich gilt es dann auch noch über den Elefanten im Raum zu sprechen, immerhin ist Eivor wieder nicht die einzige Protagonistin des Spiels. In der Gegenwartsstory treffen wir wieder auf Layla Hassan, deren Geschichte wohl nur noch hartgesottene Fans interessieren dürfte. Der Gegenwartspart war zu Zeiten der ersten Spiele großartig und ein wichtiger Bestandteil des Spiels, seit dem Tod von Desmond könnte ich auf die Gegenwartsgeschichte jedoch getrost verzichten. Immerhin ist sich dessen auch Ubisoft bewusst, die den Spieler nur kurz in die Gegenwart schicken. Und wo wir schon bei den Anfängen der Reihe sind, was machen eigentlich die namensgebenden Assassinen? Diese werden in "Valhalla" zu Nebenfiguren degradiert, Eivor lernt lediglich den Leap of Faith und bekommt vom Assassinen-Meister Basim, der mit seinem Schüler in Eivors Siedlung lebt, die versteckte Klinge geschenkt. Für sie sollen wir zudem auf die Jagd nach den aus "Odyssey"-bekannten Ordensmitgliedern gehen, ansonsten hat das Spiel aber nur wenig mit Assassinen zu tun. Schade eigentlich.

Eine aufgeräumte aber zu große Karte
Eine aufgeräumte aber zu große Karte

Die Open World: Quantität statt Qualität

Kommen wir noch einmal zur Größe des Abenteuers: Die Hoffnungen auf ein weniger überfrachtetes Spiel waren groß, immerhin wurde die riesige offene Welt schon bei "Odyssey" vielfach kritisiert und tatsächlich ist die Karte von England auch kleiner als die von Griechenland im Vorgänger. Das scheint jedoch nur auf den ersten Blick so zu sein, denn zur England-Karte kommen vier weitere Regionen dazu. Norwegen und drei weitere Regionen, die ich aus spoilergründen an dieser Stelle nicht verraten möchte. Letzten Endes ist die Karte also nur geringfügig kleiner als "Odyssey". Dafür warten nicht mehr an jeder Ecke Festungen und Feindlager auf den Spieler. "Valhalla" versucht in Sachen Open-World nämlich einiges anders zu machen. Mit zwei Ausnahmen besteht die Karte nämlich nur noch aus goldenen, blauen und weißen Punkten. Die goldenen Punkte weißen auf Reichtümer hin. Ob sich darin Ausrüstungsgegenstände, Fähigkeiten oder Barren für Waffen-Upgrades verstecken bleibt jedoch verschleiert. Die weißen Punkte wiederum weisen auf Artefakte hin, die man beispielsweise in der Siedlung gegen Belohnungen eintauschen kann. Eigentlich ist das ein gelungenes System, wären da nicht die blauen Punkte. Diese Rätsel beinhalten nicht nur Bilderrätsel, Animus-Anomalien oder legendäre Tiere, sondern auch die eigentlichen Nebenquests von "Valhalla". Große Nebenquests wie in "Odyssey" gehören nämlich der Vergangenheit an. Stattdessen setzt Ubisoft auf sogenannte World-Events, also zufälligen Begegnungen mit NPCs in der Spielwelt, wie man es auch aus allen anderen Open-World-Abenteuern kennt. Diese super kurzen World-Events sind jedoch eine einzige Katastrophe, gerade wenn man bedenkt, dass dafür vollwertige Nebenquests gestrichen wurden. Sicher, auch "Origins" und "Odyssey" hatten nicht die qualitativ hochwertigen Nebenquests eines "The Witcher 3", aber sie waren besser als diese völlig unsinnigen Beschäftigungstherapien die uns Ubisoft hier vorsetzt. Einmal muss man einem Bauern Apfelkisten von A nach B tragen (Das war's), ein anderes Mal ein Haus in Brand stecken (Das war's auch) und so weiter. Die World Events sind so dermaßen öde, dass ich sie nach einer Handvoll direkt links liegen gelassen habe. 

Die Spielwelt ist hübsch anzusehen
Die Spielwelt ist hübsch anzusehen

Von plündernden Wikingern und schwimmenden Pferden

Zwei weitere Symbole existieren dann aber doch auf der Karte. Zum einen kehren die klassischen Aussichtstürme zurück, die nun auch wieder einen Teil der Karte aufdecken. Zum anderen markieren die roten Doppeläxte die sogenannten Raubzüge. In diesen stürmt Eivor gemeinsam mit Ihrem Wikinger-Trupp ein Kloster, schlachtet die Soldaten ab und erbeutet jede Menge Reichtümer. Von allen Nebenbeschäftigungen haben mir die Raubzüge wohl am besten gefallen, obwohl ich auch hier nicht ohne Kritik auskomme. Die erbeuteten Rohstoffe aus den Raubzügen können nämlich in die Siedlung investiert werden. Das ist anfangs noch motivierend, doch sind erstmal alle coolen Behausungen der Siedlung ausgebaut, kommen lediglich noch Häuser dazu, die die Wikinger-Festmähler stärken oder etwas mehr Gesundheit bringen. Die Motivation die Siedlung auszubauen ebbt im Verlauf also rapide ab.

In Sachen Fortbewegung kann sich Eivor auf Altbewährtes verlassen. Jeder Aussichtsturm ist zeitgleich auch eine Schnellreise-Station und das Pferd bringt sie zuverlässig von A nach B. Tolle Neuerung hier: Das Pferd kann endlich schwimmen, was bei den ganzen Flüssen sehr angenehm ist und ich mir auch schon bei "Odyssey" gewünscht hätte. Auch auf dem Schiff ist Eivor wieder unterwegs, auf Seeschlachten verzichtet "Valhalla" jedoch komplett. Dafür können wir beim schippern auf den Flüssen nun zu jederzeit nahegelegene Siedlungen und Kloster plündern, was dank des Horns und der grölenden Mannschaft die mit gezückten Äxten aus dem Boot springt, auch nett eingefangen ist. 

Eine Kombination aus zwei schweren Waffen sorgt für brachiale Action
Eine Kombination aus zwei schweren Waffen sorgt für brachiale Action

Das Kampfsystem: Gelungene Rückkehr zu den Wurzeln

Auch der Adler aus den beiden Vorgängern darf nicht fehlen, mit dem man hoch oben in der Luft die Landschaft ausspähen kann. In "Valhalla" wird aus dem Adler ein Rabe und es ist völlig unverständlich wieso man mit dem Raben nicht mehr Gegner markieren kann. So wird der Rabe nur ab und zu zum Finden eines Quest Ziels oder zum Finden eines Schlüssels benutzt. Ein unverständliches Downgrade. Immerhin für letzteres erweist sich der Rabe als nützlich, denn die Gold markierten Reichtümer erfordern teils langwieriges Suchen. Die Truhen verstecken sich meist hinter Türen die man mit Hilfe nahegelegener Schlüssel erst aufschließen muss oder sie befinden sich hinter Wänden die man mittels Fässern erst aufsprengen muss. Gerade letzteres sorgt für einigen Frust, da die Suche nach Sprengfässern rein zufällig geschieht. Belohnt wird man dafür unter anderem mit neuen Ausrüstungsgegenständen, die im Vergleich zur geradezu lächerlichen Loot-Orgie in "Odyssey" zum Glück rar gesät sind. So belohnend sich neue Waffen auch anfühlen, das reduzierte System hat auch seine Nachteile. Beim Schmied kann man seine Ausrüstung nämlich mit Materialen aus Truhen aufwerten. Diese sind jedoch nicht im Überfluss vorhanden, weshalb man sich früh auf ein Rüstungsset beschränken sollte. Ich habe von Anfang bis Ende mit der Starter-Rüstung gespielt und diese immer weiter aufgewertet. Das Problem dabei: Eivor trägt immer das gleiche Outfit und Rüstungsteile in den Truhen zu finden ist vollkommen unnötig. Obwohl mir die Schatzsuche überraschend viel Spaß gemacht hat und die Reichtümer insgesamt am motivierendsten von allen Nebenaufgaben waren, kommen sie also auch nicht ganz ohne Probleme daher. 

Bei den Waffen sieht das ein klein wenig anders aus. Diese lassen nämlich beliebig miteinander kombinieren. Ob man klassisch eine Axt mit Schild wählt, lieber zwei Waffen gleichzeitig trägt oder sogar nur mit Schilden bewaffnet in den Kampf geht, bleibt dem Spieler überlassen. Und dieses herumexperimentieren macht tatsächlich eine Menge Spaß, gerade nachdem man im Fertigkeitenbaum die Möglichkeit freigeschaltet hat zwei Zweihand-Waffen gleichzeitig zu tragen. Diese Kombination sorgt für maximalen Schaden und verheerende Attacken gegen ganze Gruppen von Gegnern, allerdings zu Lasten einer guten Verteidigung. Die Bögen sind hingegen wieder etwas übermächtig. Für maximalen Schaden kann ich übrigens nur den Jagdbogen und zwei Speere empfehlen. Auch die versteckte Klinge tötet Gegner endlich wieder zuverlässig. Ein großes Ärgernis aus "Odyssey" fällt beim Schleichen also weg und "Valhalla" kehrt wieder etwas zu den Wurzeln der Reihe zurück. Besonders gelungen ist die Timing-Fertigkeit mit der man sogar Elite-Gegner mit der versteckten Klinge eliminieren kann. Die freie Wahl der Waffen-Kombination und die stärkere versteckte Klinge sorgt dann auch für das beste Kampfsystem seit langer Zeit. Zumal "Valhalla" meinen größten Kritikpunkt aus "Odyssey" gleich mit eliminiert: Die Söldner. In "Valhalla" heißen diese Kopfgeldjäger Eiferer, treten aber deutlich seltener auf als noch im Vorgänger. Dort konnte es passieren dass die Kämpfe fast unendlich lang wurden weil nach jedem besiegten Söldner bereits wieder der nächste angerannt kam. Dieses absurde System hat "Valhalla" Gott sei Dank verbessert und ich bin in meinen 40h lediglich auf zwei Eiferer getroffen. Die Kämpfe machen in "Valhalla" also wirklich Spaß!

Gigantisch und verwirrend: Der Fertigkeitenbaum
Gigantisch und verwirrend: Der Fertigkeitenbaum

Fertigkeiten im Überfluss

Doch was wäre ein Rollenspiel ohne Fertigkeitenbaum? Über die Fertigkeit zwei Zweihand-Waffen zu tragen oder Elite-Gegner mit Timing zu besiegen habe ich bereits geredet, diese sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Der Fertigkeitenbaum ist schlichtweg gigantisch und erstreckt sich über drei Gebiete: Nahkampf (Rot), Fernkampf (Blau) und Schleichen (Gelb). Mit jedem Erfahrungspunkteaufstieg bekommt der Spieler zwei Fertigkeitenpunkte, die er in den gigantischen Baum investieren kann. Warum dieser so unübersichtlich ausfallen musste und wieso dieser von Wolken verdeckt wird, ist mir jedoch schleierhaft. Richtige Planung wird dadurch schwierig, immerhin kann man die Fertigkeiten zu jederzeit wieder zurücksetzen und somit verschiedene Fertigkeiten testen. Das Level-System ist dabei fest an den Fertigkeitenbaum verknüpft, denn mit jedem investierten Punkt steigt Eivors Level/Stärke um eins an. Diese Level werden natürlich dafür benötigt um immer stärkere Regionen bereisen zu können und es mit den dortigen Gegnern aufnehmen zu können. Das System ist dabei nicht ganz so unnachgiebig wie noch in "Odyssey", da die Kämpfe insgesamt leichter ausfallen und eine unterlegene Eivor es durchaus auch mit stärkeren Gegnern aufnehmen kann. Zudem verzichtet "Valhalla" auf den intensiven Grind von "Odyssey", auch wenn einige Nebenbeschäftigungen weiterhin absolviert werden müssen. Stur den Hauptquests zu folgen ist also weiterhin kaum möglich, da diese nicht genügend Erfahrungspunkte liefern. 

Über den Fertigkeitenbaum lassen sich zudem auch einige zusätzliche Ausdauer-Felder freischalten, über die man seine Fähigkeiten einsetzen kann. Diese Fähigkeiten findet man ebenfalls bei den Reichtümern und teilen sich in Fern- und Nahkampffähigkeiten. Das System ist bereits aus "Odyssey" bekannt und wurde auch nicht wirklich verändert. Ob man lieber heimtückisch Giftattacken setzt, seine Gegner im Sprung attackiert oder sogar einen Wolf auf die Gegner hetzt bleibt dabei dem Spieler überlassen. Diese Spezialangriffe sind weiterhin eine nette Spielerei und bringen etwas mehr Abwechslung in die Kämpfe.

Nichts geht mehr: Ein Bug verhindert das weiterkommen
Nichts geht mehr: Ein Bug verhindert das weiterkommen

Die Technik: Ein hübsches Bug-Fest  

"Valhalla" ist das erste Cross-Gen-Spiel der neuen Konsolengeneration und erscheint somit sowohl auf der PS4 und Xbox One, als auch auf den neue Konsolen PS5 und Xbox Series X. Ich habe den Titel derweil in maximalen Details und Full HD auf dem PC gespielt. Zum Next-Gen-Look oder der 4K-Performance kann ich entsprechend nichts sagen. Auf dem PC sieht "Valhalla" aber schonmal sehr schick aus, gerade die zahlreichen Panoramen laden zum Stehenbleiben ein. Dabei überzeugt auch der Wechsel der Landschaften. Von den grünen Wiesen Englands, bis hin zu den verschneiten Berggipfel Norwegens sind einige Hingucker dabei. Gerade letztere versprühen dank der nächtlichen Nordlichter eine klasse Atmosphäre. Allerdings bietet "Valhalla" noch keine Next-Gen-Grafik, sondern pendelt sich qualitativ bei anderen Spielen aus den letzten 1-2 Jahren ein.

An einer Stelle versagt "Valhalla" aber komplett: Den Gesichtsanimationen. Die Animationen sind wenig ausdrucksstark und sehr steif, dadurch fehlt es den Dialogen immer wieder am emotionalen Unterbau. Gerade Eivor kommt die steife Mimik wie anfangs erwähnt nicht zu Gute. Auch der Sound hat hier und da seine Probleme, wenn beispielswiese einige Dialoge nicht verständlich sind. Insgesamt ist die Soundkulisse und der passende Soundtrack aber gelungen. Richtig problematisch sind hingegen die zahlreichen Bugs. Mehrmals musste ich einen alten Spielstand laden weil ein NPC nicht mehr weiterlief oder Eivor irgendwo feststeckte. Kleinere Bugs sind nicht allzu dramatisch, solche Fehler können aber schon nerven. Der Bug aus dem Bild ließ sich etwa nur nach langem googeln lösen, als Eivor und ihre beiden Kumpanen nach einer Zwischensequenz ineinander hingen und man sich nicht mehr bewegen konnte. Bugs wie dieser legen nahe, dass "Valhalla" etwas unfertig auf den Markt geworfen wurde um zum Start der neuen Konsolengeneration bereit zu stehen. Das Spiel hätte jedoch noch etwas Feinschliff nötig gehabt.

Fazit

Eine gute Grafik und ein tolles Kampfsystem machen noch lange kein gutes Spiel. Grafisch ist das Spiel mit seinen hübschen Panorama-Ansichten von den schneebedeckten Gipfeln Norwegens, bis zu den verregneten Tälern Englands gelungen. Zudem ist das Kampfsystem dank der Rückbesinnung auf alte Stärken (Stichwort: Versteckte Klinge), gepaart mit den spaßigen Waffenkombinationen die zum Experimentieren einladen, das vielleicht beste der Reihe. Darüber hinaus plagen "Valhalla" aber viel zu viele Schwächen. Die Story kommt nach einem gutem Start später gar nicht mehr in die Gänge, zum einen weil sie sich viel zu lange hinzieht und eigentlich kaum etwas zu erzählen hat, zum anderen weil Eivor als Hauptcharakter viel zu blass bleibt. Obwohl "Valhalla" einige Fehler von "Odyssey" ausmerzt und sowohl auf eine Loot-Orgie, als auch auf die absurden Ausmaße des Söldner-Systems verzichtet, hat mich das Spiel letztlich nicht wirklich überzeugt. "Valhalla" ist noch größer und überladener, die World-Events statt klassischer Nebenquests sind ein schlechter Witz und die Jagd nach Reichtümern und Artefakten kann spätestens ab der Hälfte nicht mehr motivieren. Dazu wird das Spiel von zahlreichen Bugs geplagt, die den Eindruck erwecken, Ubisoft habe das Spiel unfertig auf den Markt geworfen. Als "Assassin's Creed"-Fan der ersten Stunde haben mich bereits "Origins" und "Odyssey" nicht allzu sehr abgeholt, trotzdem waren beide im Kern gute Spiele (beide 7/10). "Valhalla" muss sich trotz eines guten Starts den beiden Vorgängern geschlagen geben, was überaus schade ist, denn das Wikinger-Epos hatte durchaus Potenzial, wird aber von einer immer gleichen Content-Flut erdrückt. Ubisofts berühmte Open-World-Formel sorgt bei mir zunehmend für Langeweile und so verschwindet auch "Valhalla" letztlich in der Mittelmäßigkeit. Wie wäre es denn mit einem erneuten Soft-Reboot?

 

6/10


Kommentare: 1
  • #1

    Jennifer Beaumont (Dienstag, 22 Juni 2021 00:07)

    Als "Origins" herauskam dachte ich. wow ja endlich ein Neustart, hier kann man wieder ansetzen.
    Doch alle Hoffnungen, das hier eine neue Geschichte weitergeführt wird, vielleicht den Kreis bis Ezio schließt,
    was sich so viele erhofften - nein, Origins war für mich das Ende von Assassins Creed, was bereits "Odyssee"
    deutlich machte.
    Letzteres noch angespielt, dann verschenkt, weil das kein Assassins Creed mehr ist.
    Valhalla habe ich mir dann nach all dem, was ich davon las und sah, erst gar nicht mehr angetan.
    Und damit steh ich nicht allein.
    Wenn es denn bei AC so bleibt, habe ich wenigstens vom 1. bis Unity immer wieder schöne Spielerlebnisse.